Die Frau an Seiner Seite
Liberalen als mögliche Koalitionspartner nicht vermittelbar schienen. Kohl zeigte Stehvermögen und brachte in den CDU-Spitzengremien eine personelle Alternative zu Strauß durch. Er schlug den niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht als gemeinsamen Kanzlerkandidaten der Unionsparteien vor. Nach tagelangen heftigen Kämpfen musste sich Kohl allerdings geschlagen geben. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion kürte in geheimer Abstimmung Franz Josef Strauß zum Kanzlerkandidaten. Hannelore war entsetzt über die persönliche Niederlage ihres Mannes, zumal sie erkannte, dass er nun auch als CDU-Bundesvorsitzender erheblich geschwächt war. Doch der kluge Taktiker unterwarf sich den Realitäten. Er akzeptierte scheinbar selbstverständlich die Mehrheitsentscheidung und schaltete sofort um, indem er den neuen Spitzenmann vorbehaltlos unterstützte. Ein möglicher Sturz war damit abgewendet.
Der Wahlkampf für die Bundestagswahl am 5. Oktober 1980 war einmalig in der Geschichte der Bundesrepublik. Schmidt oder Strauß, der Staatsmann aus Hamburg oder der unberechenbare Wüterich aus Bayern. Helmut Kohl stürzte sich in den Wahlkampf, als sei er selbst der Kanzlerkandidat. Doch weder er noch Hannelore waren davon überzeugt, dass es Strauß schaffen würde – zumal die FDP niemals ein Bündnis mit dem Bayern eingehen würde. Das Ergebnis für die Unionsparteien war denn auch niederschmetternd. Über vier Prozentpunkte verloren die Unionsparteien im Vergleich zur Wahl 1976, sie erhielten nur noch 44,5 Prozent der Stimmen. Die Regierungskoalition aus SPD und FDP wurde klar im Amt bestätigt.
Helmut Kohl wurde für sein faires Verhalten gegenüber Strauß belohnt und fast einstimmig als CDU/CSU-Fraktionsvorsitzender wieder gewählt. Auch wenn die Zweifel an Kohls Führungsqualitäten in Bonn nicht enden wollten, hatte er die Partei fest im Griff und verfügte über breites Vertrauen in ihren Spitzengremien. Durch personelle Veränderungen in der Fraktion gelang es ihm, seinen Rückhalt weiter zu festigen.
Für Hannelore waren Helmuts Oppositionsjahre die schwierigsten in ihrem bisherigen gemeinsamen Leben. Ihr Verständnis von Politik ließ sich nicht mit innerparteilichen Intrigen, öffentlicher Häme aus dem eigenen Lager oder Verletzungen der persönlichen Würde in Einklang bringen.
Trost fand sie in den schulischen Erfolgen ihrer Kinder, die sich zu wertebewussten jungen Menschen entwickelten. Es gelang ihr weiterhin mit beinahe erdrückender Perfektion, ihre Söhne von der Öffentlichkeit und den gierigen Blicken der Medien fernzuhalten. Ein Status, den sie solange wie eine Tigerin verteidigen musste, bis die Söhne ihr Abitur erreicht hatten und dann zum Studium ins Ausland gehen konnten. Diesen Plan verfolgte sie mit aller Konsequenz. Die enge Bindung der Kinder an ihre Mutter hatte allerdings auch Schattenseiten. Solange sie in Ludwigshafen lebten, überließ die Mutter nichts dem Zufall, wollte über ihr Leben bestimmen, was deren Weg zur Selbstständigkeit nicht leichter machte.
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Hannelore hatte sich inzwischen ein Netz von Freundinnen aufgebaut, zu denen sie engen Kontakt pflegte. Meist ergriff sie die Initiative und überbrückte manche Einsamkeit durch ständige Telefonate und Treffen mit Frauen, denen sie seit Jahren vertraute und mit denen sie sich vor allem in Fragen der Kindererziehung austauschte. Es waren Frauen, die für Hannelore jeweils eine sehr unterschiedliche Bedeutung hatten. Sie pflegte Freundschaften, die in der Leipziger Kinderzeit, auf dem Gymnasium oder in den BASF-Jahren entstanden waren. Darunter befand sich kein einziger Mensch, der mit Politik zu tun hatte. Das Netz der Freundinnen war über die ganze Bundesrepublik verstreut, auch wenn das Zentrum in der Pfalz lag, besonders in und um Ludwigshafen. Dieses Freundschaftsnetz sollte vor allem in Hannelores letzten Lebensjahren eine wichtige Rolle spielen.
Unterstützt wurde sie auch von einigen Freundinnen, als es um die Betreuung der stark kränkelnden Schwiegermutter ging. Schon immer war sie der Überzeugung, ein »Abschieben alter Menschen« – wie sie es nannte – in ein Altersheim verhindern zu müssen. Rührend kümmerte sie sich um Helmuts Mutter Cäcilie. Täglich fuhr sie in die Hohenzollernstraße und gab ihr das sichere Gefühl, gut versorgt zu sein. Hannelore überwachte die medizinische Betreuung und bewies Geduld und hohes Einfühlungsvermögen für die nicht immer leicht zufriedenzustellende
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