Die Frau an Seiner Seite
zu begeistern. In Rheinland-Pfalz war ihre Popularität mittlerweile sehr hoch. Dies nutzte sie jetzt im Bundestagswahlkampf 1976. Im direkten Kontakt zu den Bürgern erwies sie sich als geduldige Zuhörerin, ohne Berührungsängste. Sie konnte inzwischen den augenscheinlichen Zuspruch der Menschen genießen und fühlte sich in jenen Wahlkampfwochen des Jahres 1976 wohler als zu früheren Zeiten. Hannelore hatte sich verändert, nahm die neue Rolle uneingeschränkt an und setzte alles daran, neben ihrer Verantwortung für die beiden Söhne der Verpflichtung für die Arbeit ihres Mannes nachzukommen. Dabei verbrachte sie nicht eine einzige Nacht außerhalb der Ludwigshafener Wohnung. Das bedeutete für sie immer wieder, trotz später Stunde den stressigen Weg mit ihrem Fahrer nach Hause anzutreten. Das war für sie die entscheidende Bedingung für ihren Wahlkampfeinsatz 1976 gewesen – allein der Kinder wegen.
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Bei allem Stress wurde auch im Wahljahr 1976 auf die Österreich-Reise nicht verzichtet, wenngleich keine Rede von Entspannung und Erholung sein konnte. Schon im Vorfeld musste einiges organisiert werden. Ins Haus in Sankt Gilgen musste ein Bett in Übergröße transportiert werden, auch entsprechendes Bettzeug musste aus Ludwigshafen mitgebracht werden. Am Urlaubsort angekommen, jagte auch diesmal wieder eine Besprechung die andere, blieb das Telefon kaum still, kündigten sich ständig Besucher an. Bei den Zusammenkünften ging es im Wesentlichen um die Ministermannschaft, die im Falle eines CDU-Wahlsiegs berufen werden sollte. Für die Söhne Walter und Peter waren diese Ferien ebenso uninteressant und langweilig wie für Hannelore, der die Österreich-Urlaube bis zu ihrem Lebensende eine einzige Qual waren. Wie gerne wäre sie ans Meer gefahren, auf die kanarischen Inseln oder einen anderen Flecken der Welt, wo wenigstens das Wetter stabil war. Doch Helmut Kohl ließ sich zu keiner Zeit umstimmen, hielt entgegen massiver Proteste Hannelores und der Söhne an der althergebrachten Ferienplanung fest.
In den letzten Wochen vor der Entscheidung um die Mehrheit im Deutschen Bundestag, um die mögliche Ablösung der sozialliberalen Koalition, lief das Ehepaar Kohl zur Hochform auf. Auf der Schlusskundgebung am Freitag vor der Wahl erlebten die Unionsanhänger ein strahlendes Ehepaar – einen vor Energie strotzenden Kanzlerkandidaten und eine nach außen glücklich wirkende Hannelore, die fest an den Sieg ihres Mannes zu glauben schien. Die aktuellen Umfragewerte untermauerten ihren Optimismus.
Nach den ersten Hochrechnungen am Wahlabend des 3. Oktober 1976 stieg die Hoffnung auf einen knappen Wahlsieg der Unionsparteien. Am Ende erreichte die Union jedoch »nur« 48,6 Prozent der gültigen Stimmen und verfehlte damit ganz knapp die absolute Mehrheit. Gegenüber dem Bundestagswahlergebnis von 1972 mit dem CDU-Spitzenkandidaten Rainer Barzel gewann Kohl fast vier Prozentpunkte für die Union hinzu. Die Wahlbeteiligung fiel mit 90,7 Prozent außergewöhnlich hoch aus. Die SPD und der amtierende Bundeskanzler Helmut Schmidt mussten eine herbe Niederlage hinnehmen. Sie verloren im Vergleich zur letzten Wahl über drei Prozent. Kohl scheiterte an nur 350 000 Stimmen bei 42 Millionen Wählern, die er der sozialliberalen Koalition aus SPD und FDP noch hätte abjagen müssen. Ein Prozent mehr für die Unionsparteien, und die absolute Mehrheit wäre perfekt gewesen. So blieb alles beim Alten: Die sozialliberale Koalition unter Helmut Schmidt und Hans-Dietrich Genscher wurde fortgesetzt, die Unionsparteien mussten weiter die Oppositionsbänke im Bonner Parlament drücken.
In der ersten Sitzung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion vier Tage nach der Wahl erklärte Helmut Kohl seine Bereitschaft, die Leitung der Fraktion zu übernehmen. Damit war trotz der verlorenen Wahl der Wechsel von Mainz nach Bonn vorprogrammiert. Hannelore, die sich wie noch nie zuvor in einem Wahlkampf mit großem zeitlichen Aufwand und hoch motiviert eingesetzt hatte, versuchte auch diesmal erfolglos, ihren Mann von seinen Plänen abzubringen. Mit ihren Argumenten stand sie nicht allein. Die Mehrzahl der engsten Vertrauten und Mitarbeiter unterstützten sie und empfahlen Kohl, Regierungschef in Mainz zu bleiben. Aber der Pfälzer ließ sich von nichts und niemandem auf seinem Weg beirren.
Noch bevor der neue Oppositionsführer installiert werden konnte, kündigte der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß nach einer Klausurtagung der Landesgruppe
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