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Die Frau an Seiner Seite

Die Frau an Seiner Seite

Titel: Die Frau an Seiner Seite Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heribert Schwan
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Beherrschen.
    Das galt auch hinsichtlich der Gerüchte, die über die WG in Bonn die Runde machten. Hannelore hatte zeitlebens einen besonderen Zugang zu ihrem Mann und nahm einen großen Raum in seinem Herzen ein. Aber natürlich gab es andere Frauen, die für ihn aufgrund ihrer Funktion ebenso unentbehrlich waren. Seit Kohls langjährige Sekretärin und Bürochefin Juliane Weber mit ins Haus im Bonner Vorort gezogen war, wollte das Getuschel über eine Beziehung zwischen den beiden nicht verstummen. Hannelore, die in der Mainzer Zeit mit Juliane Weber bei der Bearbeitung von Petitionen aus der Bevölkerung eng zusammengearbeitet hatte, musste sich damit abfinden. Beide Frauen verband damals eine Freundschaft, die auch gemeinsame Urlaube mit den Kindern möglich machte. Dass die mit einem ZDF-Juristen in Mainz verheiratete Juliane Weber zu den wichtigsten und vertrautesten Mitarbeitern im ganz nahen Umfeld des Oppositionsführers zählte, inspirierte vor allem die Boulevardpresse jahrelang zu fantasievollen Spekulationen und Unterstellungen. Hannelore nahm das alles zur Kenntnis und ging damit gelassen um.
    * * *
    Für die Familie Kohl wurde das erste Oppositionsjahr 1977 zu einem regelrechten Ausnahmejahr. Die 1970 gegründete Terrororganisation RAF blies zum Angriff auf den Staat, es begann eine Zeit, die als »Deutscher Herbst« in die Geschichte eingehen sollte. Helmut Kohl zählte zum Kreis der am meisten gefährdeten Politiker. Er und seine Familie lebten seit Jahren mit der terroristischen Bedrohung. Nach der bitteren Erfahrung mit der Entführung des Berliner CDU-Vorsitzenden und Bürgermeisterkandidaten Peter Lorenz Anfang März 1975, die mit der Freilassung einiger Top-Terroristen endete, hatte sich in Bonn eine neue Linie durchgesetzt. In vergleichbaren Fällen sollte den erpresserischen Forderungen von nun an nicht mehr nachgegeben, eine Freilassung von Gefangenen ausgeschlossen werden. Das war die feste Überzeugung des Oppositionsführers, die er mit vielen führenden Bonner Politikern aller Fraktionen teilte. Auch im Falle seiner eigenen Entführung sollte dies gelten. In Kohls Memoiren ist nachzulesen, dass er eine an Hannelore gerichtete Verfügung niederschrieb, in der unmissverständlich stand, im Falle einer Entführung sei es nicht sein Wunsch, dass den Erpressern nachgegeben würde. Der Staat dürfe nicht erpressbar sein.
    Am 7. April 1977 wurde der höchste Ankläger der Bundesrepublik, Generalbundesanwalt Siegfried Buback, von Terroristen in Karlsruhe ermordet. Vier Monate später galt ein tödlicher Anschlag Jürgen Ponto, einem der führenden Männer der deutschen Wirtschafts- und Finanzwelt. Ponto war Vorstandssprecher der Dresdner Bank. Am 5. September 1977 wurde Arbeitgeberpräsident Hanns Martin Schleyer auf dem Weg in sein Kölner Büro von RAF-Terroristen entführt. Sein Fahrer und drei Sicherheitsbeamte wurden getötet. Dieser Entführungsfall gewann zusätzlich an Dramatik, als am 13. Oktober 1977 die Lufthansa-Maschine »Landshut« mit 82 Passagieren und fünf Besatzungsmitgliedern auf dem Flug von Mallorca nach Frankfurt gekapert wurde. Nach langwierigen Verhandlungen und einer Odyssee über verschiedene Flughäfen gelang der neu gegründeten Anti-Terroreinheit des Bundesgrenzschutzes GSG 9 die Befreiung der Geiseln in Mogadischu. Mit der Entführung hatte ein palästinensisches Terrorkommando die erste Generation der RAF um Baader, Ensslin und Raspe aus dem Gefängnis freipressen wollen. Das Scheitern gilt als Auslöser für die »Blutnacht von Stammheim«, in der sich drei der Inhaftierten das Leben nahmen. Am nächsten Tag gab die RAF die Ermordung Schleyers bekannt. Am 19. Oktober 1977 wurde die Leiche des Arbeitgeberpräsidenten im Kofferraum eines PKWs im elsässischen Mühlhausen gefunden. Mit der erfolgreichen Erstürmung der »Landshut« war das Schicksal Hanns Martin Schleyers endgültig besiegelt worden. Der Bonner Krisenstab, in dem Politiker aller Parteien saßen, hatte die Staatsräson höher bewertet als das Leben des Entführten.
    Hannelore, die Hanns Martin Schleyer als engen Freund der Familie schätzte, war verzweifelt. Auch sie vertrat die grundsätzliche Auffassung, Erpressern nicht nachgeben zu dürfen. Aber es war ein großer Unterschied, wenn aus einer abstrakten, theoretischen Überlegung bittere Realität wurde. Im Falle Schleyers entwickelte die Lage eine besondere Dramatik, als der Arbeitgeberpräsident in einer verzweifelten Videobotschaft das Wort an

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