Die Frau an Seiner Seite
die Regierung richtete. In diesen schweren Tagen stand das Telefon im Hause Kohl nicht still. Während ihr Mann im Bonner Krisenstab fast pausenlos tagte, beknieten Freunde Schleyers Hannelore in Ludwigshafen, auf ihren Mann einzuwirken, um das Leben des geachteten Wirtschaftsführers und Familienvaters zu retten. Diese Hilferufe blieben Hannelore Zeit ihres Lebens unvergessen, musste sie doch ohnmächtig mit ansehen, wie ein Freund aus Gründen der Staatsräson geopfert wurde. Die Witwe Schleyers war fortan nicht mehr in der Lage, mit Helmut Kohl und seiner Frau zu sprechen. Für Hannelore eine bittere, aber verständliche Reaktion. Vermutlich hätte sie in diesem Entführungsdrama genauso gehandelt und alles daran gesetzt, ihren Mann zu retten. Unausgesprochen fand sie die Härte des Bonner Krisenstabes sehr problematisch.
Als Konsequenz aus dem Schleyer-Drama wurden die Sicherheitsvorkehrungen auch für die Familie Kohl noch einmal verschärft. Vor allem Walter und Peter litten sehr unter den nun noch erweiterten Personenschutzmaßnahmen. Klassenkameraden machten einen großen Bogen um Walter und Peter. Eltern empfahlen ihren Kindern, den Kontakt zu den Kohl-Söhnen zu meiden. Waren die beiden Kinder wegen ihres Vaters schon immer Zielscheibe für Hänseleien und Aggressionen gewesen, spürten sie jetzt ihre neue Sonderstellung als gefährdete Kinder eines berühmten Vaters. Hannelore blieb nichts anderes übrig, als bei ihren Kindern um Verständnis für die Gefahrenlage zu werben. Viel zu spät, denn die Söhne hatten längst eine tiefe Abneigung gegen den Beruf ihres Vaters, eine kritische Distanz zur Politik, entwickelt. Hannelore bemühte sich intensiv, ihre Kinder vor weiteren Nachteilen zu schützen, sie möglichst fernzuhalten von den Riesenproblemen, die ihren Mann als Oppositionsführer in Bonn beschäftigten. Noch bekamen sie die zunehmende Kritik an ihrem Vater nicht im vollen Umfang mit. Noch lasen sie nicht Schlagzeilen wie »Kohls Talfahrt« oder »Der Mann ohne Glück«. Wie sehr ihr Mann mit dem Rücken zur Wand stand und um sein Standing als Führer der größten Oppositionspartei im Deutschen Bundestag zu kämpfen hatte, nahm seine Frau mit großer Sorge wahr. Dabei beschlich sie die ständige Angst, ihr Mann könne sein Bonner Spitzenamt verlieren, gestürzt und abgewählt werden. Ihre Sorge galt der Existenzsicherung, der langfristigen finanziellen Belastung durch den Hausbau und den Kosten der längst ins Auge gefassten Ausbildung ihrer Söhne. Sorgen einer ganz normalen Ehefrau und Mutter. Die schweren Auseinandersetzungen innerhalb der CDU empfand sie als abstoßend, ohne dies nach außen zu zeigen. Im Gegensatz zu Marianne Strauß, Jahrgang 1930 und studierte Volkswirtin, Gattin des Erzrivalen ihres Mannes, verfügte Hannelore über keine politische Kompetenz. Sie besaß auch nicht die kämpferische Natur einer Marianne Strauß, die ihren Mann und dessen Politik öffentlich wie im privaten Kreis wie eine Löwin verteidigte. Im Vergleich zur drei Jahre älteren First Lady von Bayern blieb Hannelore die Politik fremd; sie lehnte es ab, die Mechanismen politischer Abläufe, ihre Zwänge und Widersprüche durchdringen zu wollen. Nicht einmal angesichts der politischen Stürme, die um den Oppositionsführer in Bonn tobten.
Kurz nach der Jahreswende 1978/79 wurde ein vertrauliches »Memorandum« des früheren CDU-Generalsekretärs Kurt Biedenkopf bekannt, in dem er die Trennung von Partei- und Fraktionsführung in der CDU forderte. Nur so sei die Führungskrise der Union zu meistern. Was von den Medien als gefährlich für Kohl dargestellt wurde, münzte der Amtsinhaber in kürzester Zeit in einen Erfolg um. Im CDU-Bundesvorstand gelang es ihm, einen Beschluss herbeizuführen, wonach der Partei- und Fraktionsvorsitz in einer Hand bleiben sollte. Damit war Biedenkopfs Intrige gegen den Amtsinhaber gescheitert. Gleichwohl änderte sich wenig am negativen Stimmungsbild. Für eine erneute Kanzlerkandidatur im Wahljahr 1980 sah der Realist aus der Pfalz keine Chance. Niemand kannte wie er die Stimmungslage innerhalb der Unionsparteien, also machte er sich auf die Suche nach einem erfolgreichen Gegenspieler zu Helmut Schmidt. Noch bevor er fündig geworden war, verkündete die bayerische Schwesterpartei, Franz Josef Strauß stehe als Kanzlerkandidat der Unionsparteien zur Verfügung. Damit hatte die CSU Fakten geschaffen, die in weiten Teilen der CDU auf Ablehnung stießen und die vor allem den
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