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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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einen Skandal gegeben haben, der Lovat in den Stand gesetzt hat, sie zu erpressen«, fuhr sie fort, als sie wieder allein waren, »hätten Sie eine briefliche Anfrage an die britischen Behörden in Alexandria schicken können. Sicherlich sind diese Leute imstande, das für Sie zu ermitteln und Ihnen die entsprechende Mitteilung zu machen. Sie kennen nicht nur die Sprache des Landes, sondern auch die Stadt und ihre Bewohner, außerdem haben sie Kontakte zu der Art von Menschen, die solche Informationen liefern können.«
    Narraway holte Luft, als wolle er ihr widersprechen, sah sie dann aber aufmerksam an und sagte lediglich: »Das kann schon sein. Aber diese Leute würden ausschließlich Fragen beantworten, die ich ihnen ausdrücklich stelle. Pitt hingegen findet unter Umständen Antworten auf Fragen, die mir nicht eingefallen sind.«
    »Ah ...« Sie glaubte ihm, zumindest in Bezug auf das, was er ausgesprochen hatte. Ihr war klar, dass er manches nicht sagte, aber wenn sie imstande gewesen wäre, ihm etwas darüber zu entlocken, hieße das, dass er seiner Aufgabe nicht gewachsen war. Dies Bewusstsein würde in ihr eine tiefe und dauerhafte Angst hervorrufen.
    Allmählich trat ein Lächeln auf seine Züge. Es wirkte so bezaubernd, dass sie sich wunderte und insgeheim überlegte, ob er je so viel Liebe für eine Frau empfunden hatte, dass diese eine Möglichkeit hatte, durch die dicke Schicht des Selbstschutzes zu der dahinter liegenden Persönlichkeit vorzudringen, und falls ja, was für eine Frau das gewesen sein mochte.
    »Und hier in London ziehen Sie natürlich Ihre Erkundigungen über Ryerson und Lovats andere Kontakte ein oder lassen das einen anderen machen«, sagte sie. »Man fragt sich, ob er für diese Aufgabe geeigneter ist als Thomas – oder ob er sie weniger gut durchführt als
er seine in Alexandria.« Sie sagte das nicht im Frageton, weil ihr klar war, dass er ihr darauf keine Antwort geben würde.
    Sein Lächeln veränderte sich nicht, aber seine Anspannung nahm wieder ein wenig zu. Vielleicht kam ihr das wegen seiner völligen Reglosigkeit auch nur so vor. »Das ist eine delikate Angelegenheit«, sagte er so leise, dass sie es kaum hörte. »Bezüglich dessen, dass es keinerlei Sinn ergibt, wenn wir nur von dem ausgehen, was wir bisher wissen, stimme ich völlig mit Ihnen überein. Lovat war ein Niemand. Der Versuch, Miss Sachari zu erpressen, könnte sich unter Umständen gelohnt haben, aber ich bezweifle sehr, dass sich Ryerson in seinen Empfindungen für sie hätte beeinflussen lassen, ganz gleich, was ihm ein Mann wie Lovat gesagt hätte. Damit hätte Lovat eher erreicht, dass man ihm den Prozess gemacht oder ihn einfach aus dem diplomatischen Dienst entlassen hätte. In einem solchen Fall wäre er nirgendwo wieder untergekommen, und wahrscheinlich hätten ihn sogar seine Klubs ausgeschlossen. Er hatte sich ohnehin schon mehr als genug Feinde gemacht. Auch lässt sich Miss Sacharis Vaterlandsliebe zwar leicht verstehen, doch setzt die Annahme, sie könne die britische Ägyptenpolitik beeinflussen, ein Ausmaß an Einfalt voraus, wie man es bei einer klugen Frau, die sich längere Zeit hier in London aufgehalten hat, nicht erwarten darf.«
    »Genauso ist es«, stimmte Vespasia zu und ließ sich nicht die kleinste Regung in seinem Gesicht entgehen.
    »Daher muss ich überlegen«, sagte er finster und in einem Flüstern, das kaum mehr war als ein Seufzer, »welche Sache, die wir noch nicht in Erwägung gezogen haben, es wert ist, dafür zu morden und den Galgen zu riskieren.«
    Vespasia gab ihm keine Antwort darauf. Sie hatte diesem Gedanken auszuweichen versucht, doch jetzt zeichnete er sich in ihrem Kopf ebenso finster und unausweichlich ab wie in dem Victor Narraways.

KAPITEL 8
    A llmählich bekam Pitt ein immer deutlicheres Bild der Ägypterin wie auch von den Menschen und den politischen Zusammenhängen, die sie beeinflusst hatten. Während er aus dem Fenster seines Hotelzimmers in Richtung auf das Meer in die Nacht hinaussah, fiel ihm mit einem Mal ein, dass er überhaupt nicht wusste, wie sie aussah. Nicht einmal ein Bild von ihr hatte er gesehen, ging ihm überrascht auf. Er stellte sie sich als dunkelhäutig vor, und sicherlich war sie schön, denn diese Art von Kapital war seiner Ansicht nach für ihre Art zu leben unerlässlich. Während er dastand, den Blick zum sich weithin wölbenden Himmel mit den bleichen Sternen gerichtet, und wahrnahm, wie die an der Hauswand emporrankenden

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