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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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bewegungslos auf ihm.
    Er holte etwa zweihundert Piaster hervor – genug, um acht Tage im Hotel zu bestreiten.
    »Das reicht«, sagte Avram sofort. Bevor Pitt überlegen konnte, war das Geld aus seinen Händen verschwunden, und Avram hämmerte mit beiden Fäusten gegen die Tür.
    Musa nickte. Seine Schultern entspannten sich. »Gut«, sagte er befriedigt. »Ja — gut.«
    »Das sind zweihundert Piaster!«, entfuhr es Pitt spontan, bevor er hatte nachdenken können. »Dafür möchte ich eine Gegenleistung.«
    Musa hob die Brauen. »Ach ja? Und was?«
    Pitt überlegte fieberhaft. »Jemand soll mir helfen, etwas über Leutnant Lovat in Erfahrung zu bringen, der vor zwölf Jahren hier im britischen Heer gedient hat. Ich spreche kein Arabisch.«
    »Ihr wollt also für fünfzig Piaster von meiner Zeit?«, fragte Musa. »Wenn ich im Gefängnis bin, geht das nicht, oder?«
    »Ich möchte für hundertfünfzig Piaster von jemandes Zeit«, gab Pitt zur Antwort. »Oder wir alle bleiben hier.«
    Avram sah belustigt drein. »Heißt das, Ihr handelt?«, fragte er neugierig.
    »Ich weiß nicht«, gab Pitt zurück. »Tue ich das?«
    Avrams Blick wanderte zwischen dem Fenster und der Tür hin und her. Er sah die anderen fragend mit gehobenen Brauen an und
sagte etwas auf Arabisch. Nach kurzer Beratung sagte er schließlich zu Pitt: »Ja.«
    Pitt wartete.
    »Ich bringe Euch in das Dorf, wo die britischen Soldaten ihre Freizeit verbracht haben. Ich spreche für Euch mit den Ägyptern.« Er hielt ihm die Hand hin. »Jetzt aber raus hier, bevor sie kommen und es richtig unangenehm wird.«

    Pitt verstand nichts von dem, was die Männer dem Wächter sagten, sah aber, wie sein Geld den Besitzer wechselte. Eine halbe Stunde später folgte er Avram durch ein Gässchen am Rande der Stadt. Erneut ging es in Richtung Osten. Fliegen und Stechmücken waren die üblichen Wegbegleiter. Er hatte es sich angewöhnt, mechanisch nach ihnen zu schlagen. Sein Kopf schmerzte noch von dem Schlag, den er im Basar bekommen hatte.
    Angenehme Düfte mischten sich mit den üblen Gerüchen der Straße, als sie an einer Garküche vorüberkamen. Der Koch saß am Boden, eine Schulter an eine Mauer gelehnt. Er trug ein unförmiges Gewand aus bräunlichem Leinen und flache Leinenschuhe. Einem großen tönernen Topf, der auf einer Feuerstelle aus lose aufgeschichteten Ziegelsteinen stand und in dem er rührte, entstieg der Geruch, der die Vorüberkommenden anlockte. Neben sich hatte er einen großen, flachen Korb mit Datteln, Zwiebeln und etwas, das wie eine Mohrrübe und ein Granatapfel aussah. Hinter ihm stand ein hohes Tongefäß, aus dessen Rand ein Stück herausgebrochen war. Die Haut des Mannes war so dunkel wie die Datteln, sein Bart kurz gestutzt und sein Kopf kahl rasiert. Das Ebenmaß und die Sanftheit seiner Züge ließen ihn beinahe schön erscheinen.
    Er achtete weder auf Pitt noch auf Avram, als wären sie ebenso uninteressant wie die Esel, die über die staubige Straße zogen, oder das Kamel, das geduldig an der Einmündung des Platzes stand.
    Avram war einige Schritte voraus, und Pitt beeilte sich, ihn einzuholen. Ihn hier aus den Augen zu verlieren würde nicht nur
bedeuten, dass er Zeit verlor, es könnte auch gefährlich werden. Seit dem Zwischenfall auf dem Teppichbasar war er empfänglicher für die Stimmung der Männer, die miteinander zu feilschen oder sich müßig zu unterhalten schienen. Hinter dem gleichmütigen Ausdruck ihrer Gesichter, das begriff er jetzt, verbarg sich eine tief sitzende Wut, die sie nicht offen zu zeigen wagten. Das war ihr Land, und er war ein Fremdling, Angehöriger eines Volkes, das sich angeeignet hatte, was ihnen gehörte. Dabei spielte es keine Rolle, dass die Briten weit produktiver und sinnvoller mit allem umgingen als sie selbst.
    Avram wandte den Kopf, um sich zu vergewissern, dass Pitt noch da war, und bedeutete ihm, sich zu beeilen, damit er nicht den Anschluss verlor. Schweigend gingen sie weiter über die unbefestigte Straße, so schnell sie konnten. Es war schon später Nachmittag. Da die Nacht, wie er wusste, um diese Zeit des Jahres schnell hereinbrach, mussten sie das Dorf in der Nähe der Militäranlage unbedingt erreichen, bevor es dunkel wurde. Es sah aber ganz danach aus, dass es bis dorthin noch ziemlich weit war.
    Während sich Pitt bemühte, mit seinem Begleiter Schritt zu halten, ging ihm durch den Kopf, dass sich ein fliegender Händler, der auf dem Markt ein todsicheres Mittel gegen

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