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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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hin. Pitt blieb schweigend stehen.
    »War Mr Garrick geistesgestört, als Sie angefangen haben, für ihn zu arbeiten?«, fragte er.
    Garvie zuckte zusammen. Vielleicht fürchtete er, sein Herr könnte sie hören.
    »Nein, Sir«, sagte er empört.
    Narraway lächelte geduldig, und Garvie errötete, ließ sich aber zu keiner weiteren Erklärung herbei.
    »Was ist mit ihm geschehen? Ich muss das wissen. Möglicherweise schwebt er in Lebensgefahr.«
    Es entging keinem von ihnen, dass Garvie nicht gegen diese Äußerung aufbegehrte. Charlotte sah den Ausdruck von Unsicherheit und Zweifel auf Narraways Zügen. Ein Blick auf Pitt zeigte ihr, dass auch er verstand.
    Garvie zögerte.
    Pitt trat vor. »Ich bringe Mr Garrick in einen Raum, wo er sich eine Weile hinlegen und ausruhen kann.«
    »Bleiben Sie bei ihm«, sagte Narraway mit Nachdruck.
    Pitt gab keine Antwort. Es gelang ihm, Garrick mit beträchtlicher Mühe auf die Füße zu bringen, dann führte er ihn mit Gracies Hilfe aus der Küche.
    »Was ist mit ihm geschehen, Mr Garvie?«, wiederholte Narraway seine Frage.
    Der Kammerdiener schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht, Sir. Er hat immer ziemlich viel getrunken. Alles ist im Laufe der Zeit schlimmer geworden, als wenn in ihm etwas übergekocht wäre.«
    »In welcher Hinsicht wurde es schlimmer?«
    »Er hatte grauenhafte Träume.« Garvie erschauderte. »Viele feine Herren, die trinken, träumen schlecht, aber nicht so wie er. Er hat mit weit aufgerissenen Augen im Bett gelegen und laut geschrien. Es ging um Blut ... und Feuer ... das an seiner Kehle
brannte, sodass er keine Luft kriegte.« Garvie zitterte. »Ich musste ihn dann schütteln und laut rufen, damit er zu sich kam. Danach hat er geweint wie ein kleines Kind. So was hab ich noch nie erlebt.« Sein Blick flehte Narraway an, ihn nicht weiter zu bedrängen.
    Charlotte war die Szene zuwider, doch wusste sie, dass es unerlässlich war, die Befragung fortzuführen.
    Zögernd sah Narraway sie an. Entschlossen erwiderte sie den Blick. Sie würde den Raum auf keinen Fall verlassen.
    Er nahm es hin und wandte sich erneut an Martin Garvie.
    »Ist Ihnen bekannt, welches Ereignis diese Träume ausgelöst haben könnte?«
    »Nein, Sir.«
    Narraway entging die leichte Unsicherheit nicht, mit der Garvie das sagte. »Aber Sie wissen, dass da etwas war?«
    Garvies Stimme war nahezu unhörbar. »Ich glaube, Sir.«
    »War Ihnen Leutnant Lovat bekannt, der in Eden Lodge umgebracht wurde? Oder Miss Sachari?«
    »Die Dame kenne ich nicht, Sir, aber ich weiß, dass mein Herr und Mr Lovat miteinander bekannt waren. Als die Nachricht von dem Mord bekannt wurde, hat ihm das mehr zugesetzt als alles, was ich bis dahin bei ihm erlebt hatte. Ich ... ich glaube, darüber hat er den Verstand verloren.« Es fiel ihm schwer, das zu sagen, und es war ihm erkennbar unangenehm. Zwar war es allen bekannt, trotzdem sah er darin einen Vertrauensbruch gegenüber seiner Herrschaft.
    Mitgefühl blitzte in Narraways Augen auf, ehe er scheinbar ungerührt fortfuhr: »Dann dürfte es wohl an der Zeit sein, dass wir mit Mr Garrick sprechen und genau feststellen, was ihn so quält.«
    »Nein, Sir!« Martin war aufgesprungen. »Bitte ... er ist doch ...«
    Narraway brachte ihn mit einem Blick zum Schweigen.
    Charlotte nahm sacht seinen Arm. »Wir müssen es wissen«, sagte sie. »Das Leben eines Menschen hängt davon ab. Sie können uns helfen –«
    »Vielen Dank, Mrs Pitt«, schnitt ihr Narraway das Wort ab. »Die Sache wird äußerst schmerzlich sein. Es ist nicht nötig, dass wir Sie damit belasten.«
    Mit der Andeutung eines höflichen Lächelns sah Charlotte zu ihm hin. »Ihre Rücksicht auf meine Gefühle ehrt Sie.« Der Sarkasmus in ihrer Stimme war kaum spürbar. »Aber da ich die Geschichte bereits gehört habe, ist sie für mich weniger überraschend als für Sie. Ich bleibe.«
    Erstaunlicherweise ließ er es dabei bewenden. Gemeinsam mit Garvie suchten sie das Wohnzimmer auf, wo Pitt und Gracie ein Auge auf den halb bewusstlos auf dem Sofa liegenden Stephen Garrick hatten.
    Es kostete sie die ganze Nacht, diesem Wrack von einem Menschen die entsetzliche Wahrheit zu entlocken. Mitunter ließ er sich aufsetzen und sprach nahezu zusammenhängend, brachte vollständige Sätze heraus. Dann wieder lag er zitternd und schweigend da, zusammengekrümmt wie ein Kind im Mutterleib. Wenn er sich auf diese Weise in sich selbst zurückzog, hatte nicht einmal Garvie Zugang zu ihm.
    Charlotte nahm

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