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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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stieß einen erstickten Schrei aus, krümmte sich, riss die Arme hoch und bedeckte sein Gesicht mit den Händen, als wolle er sich vor etwas schützen. Das kam für Pitt so überraschend, dass er nach hinten taumelte und gegen Garvie stieß. Er spürte Narraways Ungeduld nahezu körperlich.
    »Bitte, Mr Stephen!«, sagte Garvie. »Wir müssen hier fort! Rasch, Sir!«
    Das schien die gewünschte Wirkung zu haben. Wimmernd vor Angst stand Garrick unsicher auf, schwankte heftig, stolperte dann aber, von Garvie und Pitt gestützt, durch die Tür an Narraway und dem Wärter vorüber und machte sich auf den Weg durch den langen Gang.
    Pitt wandte sich einmal um, um sich zu vergewissern, dass Narraway ihnen folgte. Dabei sah er, wie dieser etwas auf eine Karte schrieb und sie dem Wärter gab. Gleich darauf hörte er seine raschen Schritte hinter sich.
    Pitt und Garvie strebten dem Ausgang entgegen, wobei sie den nahezu willenlosen Garrick halb trugen und halb zerrten. Mehr als einmal blieb Pitt stehen, weil er nicht wusste, ob es nach links oder rechts weiterging, bis ihm Narraway die Richtung wies. Angespannt lauschte er auf jedes Geräusch. Als er eine Tür zufallen hörte, fuhr er so heftig herum, dass Garrick fast zu Boden gestürzt wäre.
    Knurrend beschleunigte Narraway den Schritt. Pitt fasste erneut nach Garrick, und sie umrundeten die letzte Ecke. In der Vorhalle standen zwei Wärter, bei deren Anblick Pitt instinktiv den Schritt verhielt, doch Garrick, der sie wohl nicht wahrgenommen hatte, schlurfte einfach geradeaus, sodass Garvie nichts anderes übrig blieb, als weiterzugehen, wollte er ihn nicht fallen lassen.
    Rasch fasste Pitt wieder Tritt.
    Die Wärter nahmen drohend Aufstellung. »He, Sie da! Wohin wollen Sie?«, rief einer von ihnen.
    »Weiter!«, zischte Narraway hinter Pitts Rücken und wandte sich dann den Männern zu.
    Pitt fasste Garrick fester und schob ihn mit beschleunigtem Schritt zur Tür hinaus, die Treppe hinab und geradewegs auf die wartende Droschke zu. Er hoffte inständig, dass Narraway mit den beiden Wärtern drinnen fertig wurde und bald herauskam, denn er wusste nicht, wohin Garrick und Garvie gebracht werden sollten.
    Vor der Droschke blieb Garrick unvermittelt stehen. Er zitterte am ganzen Leib und stieß die Hände vor, als wolle er einen Angriff abwehren. Garvie legte ihm sanft, aber mit unwiderstehlicher Kraft die Arme um den Leib und hob ihn mit Pitts Hilfe in den Wagen. Ohne auf das Geschehen zu achten, blickte der Kutscher starr vor sich hin, als hinge sein Leben davon ab, dass er nichts sah und nichts hörte.
    Pitt hielt Ausschau nach Narraway. Er sah keine Spur von ihm.
    Jetzt begann Garrick um sich zu schlagen, vor Angst zu wimmern und zu schluchzen.
    Pitt sprang in die Droschke, um zu verhindern, dass er davonlief oder Garvie in seinem Delirium verletzte. »Es ist alles in Ordnung,
Sir«, sagte er eindringlich. »Hier sind Sie in Sicherheit! Niemand wird Ihnen etwas tun!« Die Worte blieben so wirkungslos, als hätte er sie in einer fremden Sprache gesagt.
    Garvie vermochte seinen Herrn nicht länger zu bändigen. Im Schein der Straßenlaternen wirkte sein Gesicht bleich. In seinen Augen standen Panik und Hilflosigkeit. Wenn Narraway nicht bald kam, mussten sie ohne ihn abfahren.
    Die Sekunden vergingen.
    »Fahren Sie los, einmal um die Anstalt herum und wieder hierher zurück!«, rief Pitt dem Kutscher zu. »Vorwärts!«
    Die Droschke ruckte so kräftig an, dass alle drei Fahrgäste gegen die Rücklehne geschleudert wurden. Einen Augenblick lang konnte Garrick vor Benommenheit nicht reagieren. Pitts Gedanken jagten einander, während er überlegte, wohin er ihn bringen könnte. Hoffentlich war Narraway da, wenn sie den Eingang wieder erreichten! Der einzige Ort, an dem er auf Hilfe und Geheimhaltung hoffen konnte, war sein Haus in der Keppel Street. Was aber konnten er und Charlotte mit einem Irren tun, der im Delirium tobte? Und wie mochte es um Garvie stehen?
    Wohl hatte Narraway dem Kutscher gegenüber die örtliche Polizeiwache genannt, doch hielt Pitt das für einen Bluff. Ganz davon abgesehen, besaß er keinerlei Vollmacht, die er hätte vorweisen können, sodass damit zu rechnen war, dass man sie alle drei nach Bedlam zurückbrachte. Zwar käme Narraway dadurch frei, doch wäre die Situation damit schlimmer als zuvor, denn dann wäre die Verwaltung der Anstalt gewarnt.
    Vermutlich blieb ihm tatsächlich nichts anderes übrig, als nach Hause zu fahren und Narraway

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