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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Haustür sind, dürfte es das Beste sein, hineinzugehen und miteinander zu reden. Mrs Pitt würde uns doch sicher eine Tasse
Tee machen? Zumindest Garvie sieht aus wie jemand, der eine Stärkung brauchen kann.«
    Wortlos folgte Pitt der eleganten Gestalt zur Haustür, schloss auf und trat vor Narraway ein.
    Anfangs waren Charlotte und Gracie sprachlos vor Überraschung, dann aber verdrängte Mitgefühl das Entsetzen.
    »Sie sind ja fast erfror’n!«, sagte Gracie aufgebracht. »Was is denn passiert?« Sie ließ den Blick von Garrick zu Martin Garvie und zurück schweifen. »Ich hol schnell ’n paar Decken. Setz’n Se sich schon mal!« Eilends verschwand sie durch die Tür.
    Während Pitt Garrick auf einen der Stühle drückte, ließ sich Garvie auf einen anderen fallen, als könnten ihn seine Beine mit einem Mal nicht mehr tragen.
    Charlotte schob den Kessel in die Mitte des Herdes und bat Pitt, das Feuer wieder in Gang zu bringen. Narraway beachtete niemand.
    Gracie kehrte mit Wolldecken auf den Armen zurück. Nach kurzem Zögern legte sie Garrick eine davon um den zitternden Leib, dann wandte sie sich mit einer weiteren an Garvie. »Ich werd Tilda sag’n, dass Ihn’n nix fehlt«, sagte sie mit zweifelndem Ton in der Stimme. »Verletzt sind Se jed’nfalls nich, wie ich seh.«
    Unvermittelt traten Garvie Tränen in die Augen. Er setzte zum Sprechen an, brachte aber kein Wort heraus.
    »Is schon in Ordnung«, sagte Gracie rasch. »Ich sag’s ihr. Was die sich freu’n wird, dass wir Se gefund’n ha’m!« Sie schloss sich mit ein, obwohl sie vermutete, dass Narraway nichts von ihrer Beteiligung an der Sache wusste. Das störte sie nicht weiter; ihr genügte das Bewusstsein, dass sie Tellman dazu gebracht hatte, der Sache nachzugehen. Unauffällig sah sie zu Narraway hinüber. Ihr Blick war so misstrauisch, als wäre er ein unbekanntes Insekt, von dem man nicht wissen konnte, ob es giftig war – zwar ganz interessant, aber man hielt sich besser fern, so gut es ging, solange man nichts Näheres wusste.
    Charlotte, die den Tee machte, erkannte an Narraways Augen, dass ihn Gracies Verhalten zu belustigen schien. Sie hätte ihm nicht
zugetraut, dass er die Wesensart der jungen Frau achtete. Dann merkte sie, dass er sie seinerseits unauffällig musterte, und spürte in seinem Blick sonderbarerweise etwas, was sie verlegen machte. Rasch wandte sie sich wieder ihrer Aufgabe zu, goss dampfenden Tee in sechs Becher und rührte Zucker hinein. Einen füllte sie nur zur Hälfte, gab kalte Milch hinzu, damit das Getränk nicht zu heiß war, und brachte ihn Garrick, der stumpf vor sich hin starrte.
    Sie hob den Becher an seine Lippen und neigte ihn ein wenig, damit er trinken konnte. Geduldig wartete sie, bis er erst einen Schluck und dann einen weiteren nahm.
    Nachdem ihr Gracie eine Weile dabei zugesehen hatte, folgte sie ihrem Beispiel und half Garvie, doch fiel es diesem sehr viel leichter als seinem Herrn, selbstständig zu trinken.
    So vergingen mehrere Minuten, in denen niemand sprach. Schließlich brach Narraway das Schweigen. Er rechnete damit, dass es unter Umständen die ganze Nacht dauern konnte, bis er von Garrick etwas Verwertbares erfuhr. Garvie hingegen brannte förmlich darauf zu sagen, was er wusste.
    »Wie sind Sie in die Irrenanstalt von Bethlehem gekommen, Mr Garvie?«, fragte er unvermittelt. »Wer hat Sie dort hingebracht?«
    Es kostete Garvie Mühe zu sprechen. Dunkle Ringe unter den Augen in seinem kalkweißen Gesicht zeigten, dass er übermüdet war. »Mr Garrick ist krank, Sir. Ich bin mitgegangen, damit er jemand hatte, der sich um ihn kümmerte. Ich konnte ihn unmöglich allein lassen, Sir.«
    Narraways Gesichtsausdruck änderte sich nicht im Geringsten. »Und warum haben Sie nicht wenigstens Ihrer Schwester mitgeteilt, wohin Sie gegangen sind? Sie war krank vor Angst um Sie.«
    Schweiß trat auf Garvies Stirn, und er drehte sich halb beiseite, als wolle er zu Garrick hinsehen, dann aber wandte er sich erneut Narraway zu. Mit kläglicher Stimme sagte er: »Damals habe ich nicht gewusst, wohin man uns bringen würde.« Er sprach so leise, dass man ihn kaum hörte. »Ich hatte angenommen, dass wir aufs Land fahren würden und ich ihr dann schreiben könnte. Nie im Leben wäre ich auf den Gedanken gekommen, dass unser Ziel ...
Bedlam sein könnte.« Er sagte den Namen der Anstalt, als sei er ein Fluch, den man in der Hölle hören und gegen ihn kehren könnte.
    Endlich setzte sich auch Narraway

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