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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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kam, dass er sich Vespasia mit solchen Äußerungen zur Feindin machen könnte, was er sich jetzt keinesfalls leisten konnte. »Finden Sie ihn!«, stieß er verzweifelt hervor. »Bitte.«
    Sie sah in sein von Angst verzerrtes Gesicht. »Und was soll ich Pitt, oder wer auch immer damit zu tun hat, sagen?«, erkundigte sie sich. »Wie sieht die Gefahr aus, vor der Sie solche Angst haben, Ferdinand?«
    Sie ging zum Sofa hinüber und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, Platz zu nehmen, doch er blieb stehen.
    »Bringen Sie meinen Jungen zurück, und ich kümmere mich darum!«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
    Sie setzte sich mit einem leichten Lächeln hin, das kaum mehr war als eine Entspannung ihrer Züge. »Ich vermute, wenn ihnen so wenig an ihm liegt, dass sie ihn mir einfach übergeben, sobald ich darum bitte, hätten sie sich wahrscheinlich gar nicht erst die Mühe gemacht, ihn dort herauszuholen«, sagte sie in ruhigem Ton. »Wäre es nicht an der Zeit, der Wirklichkeit ins Auge zu sehen?«
    Er begann zu sprechen und verstummte gleich wieder.
    Sie wartete. Sie würde nicht noch einmal fragen. Er wusste, worum es ging, schließlich war Stephen sein Sohn.
    Er senkte den Blick. »Es gibt Leute, die ihn töten würden, wenn sie nur auf diese Weise bestimmte Dinge erfahren könnten, die er weiß«, sagte er.
    Ihr war bewusst, dass er ihr mit dieser Antwort auswich. Sicher war das nicht die ganze Wahrheit, doch genügte es für ihre Zwecke. Keinesfalls würde er mehr sagen, wenn man ihn nicht dazu zwang. Das aber wollte sie Victor Narraway überlassen, denn sie war bereits entschlossen, ihn in dieser Sache aufzusuchen.
    »Ich werde den Leuten das sagen«, versprach sie.
    Er entspannte sich angesichts des so nahe bevorstehenden Sieges ein wenig, trat aber ungeduldig von einem Fuß auf den anderen und wartete, dass sie fortfuhr.
    Sie sah ihn kalt an. »Ich habe nicht die Absicht, mich von Ihnen begleiten zu lassen, Ferdinand. Sie haben mir alles gesagt, was ich wissen muss, und Sie haben mir deutlich gemacht, dass die Zeit drängt. Guten Morgen.«
    »Danke«, sagte er steif. Auf seinen Zügen mischten sich Erleichterung, Dankbarkeit und so etwas wie Enttäuschung darüber, dass er selbst in dieser Sache nicht tätig werden konnte. Ihm war jede Art von Abhängigkeit zuwider, am meisten aber hasste er es, von Frauen abhängig zu sein. »Ja ... ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet. Auch Ihnen einen guten Tag. Ich –«
    »Ich werde Sie von dem Ergebnis in Kenntnis setzen«, versprach sie hoheitsvoll. »Sollten Sie nicht zu Hause sein, werde ich Ihrem Butler eine Mitteilung übergeben.«
    »Ich werde zu Hause sein.«
    Sie neigte den Kopf kaum wahrnehmbar.
    Er errötete, sagte aber nichts weiter. Sie stand auf, sodass er die Form wahren und sich verabschieden konnte, ohne unhöflich zu erscheinen.
    Wieder bediente sich Vespasia ihres Telefons. Die Nützlichkeit dieses Instrumentes hatte sie früh erkannt und verstand nicht, warum Menschen etwas dagegen hatten. Immerhin konnte man damit rasch und bequem andere erreichen. Um die Mittagszeit wusste sie, dass Victor Narraway der Verhandlung gegen Ryerson und die Ägypterin beiwohnte und das Gericht sich um ein Uhr zur Mittagspause vertagen würde. Das gab ihr eine Stunde Zeit, um ihn aufzusuchen und ihm mitzuteilen, dass sie ihn dringend sprechen müsse.
    Zufällig ergab es sich, dass sie einander auf der Treppe begegneten, gerade als sie im Gerichtsgebäude eintraf. Er kam mit seiner üblichen Eleganz und in scheinbar lässiger Haltung auf sie zu, doch noch bevor sie den Mund auftun konnte, sah sie an den Schatten auf seinem Gesicht und seiner Anspannung, dass er sich zutiefst Sorge machte und vielleicht sogar Angst hatte.
    »Guten Tag, Lady Vespasia«, sagte er.
    »Guten Tag, Victor. Es tut mir Leid, Sie von Ihren Aufgaben hier am Gericht abzurufen, aber Ferdinand Garrick war heute
Morgen bei mir.« Sie achtete nicht auf seine Überraschung. Für Erklärungen und Förmlichkeiten war jetzt keine Zeit. »Er war in tiefer Sorge. Ihm ist bekannt, dass Pitt seinen Sohn in Bedlam aufgespürt und von dort fortgebracht hat. Ich nehme an, dass er das ohne Ihre Billigung und möglicherweise Ihre Unterstützung nicht getan hätte.«
    Er bot ihr den Arm, und sie nahm ihn. Offensichtlich wollte er nicht im Vorraum des Kriminalgerichts Old Bailey mit ihr sprechen, wo möglicherweise jemand mithören konnte.
    »Eigentlich ging es uns ursprünglich mehr um seinen Kammerdiener

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