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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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lang schien ihn unbeherrschbare Angst zu übermannen. »Ich versuche mir darüber klar zu werden, was da eigentlich passiert ist«, stieß er mit rauer Stimme hervor. »Wer ihn umgebracht haben könnte und warum. Wieso mitten in der Nacht und wieso in Eden Lodge?« Er spreizte die schlanken, kräftigen Finger ein wenig. »Was hat er überhaupt da gewollt? Ist ihm jemand gefolgt? Hatte er eine Verabredung mit jemandem? Und wozu? Auch das ergibt keinen Sinn. Man verabredet sich nicht mitten in der Nacht im Garten fremder Menschen, um einen Streit auszutragen.«
    Er sah Pitt unverwandt an, wollte offensichtlich, dass dieser ihm Glauben schenkte. »Sie hätte ihm auf keinen Fall geöffnet. Hatte er die Absicht einzubrechen? Oder wollte er ihr eine Szene machen und die Nachbarn aus dem Schlaf reißen?« Sein Gesicht war jetzt aschfahl. »Ich weiß, dass sie ihn nie und nimmer umgebracht hätte, kann mir aber keinerlei plausible Erklärung für das Vorgefallene denken.« Er gab sich keine Mühe, seine Gefühle zu verbergen.
    Narraway hatte Pitt klar gemacht, dass Ryerson aus der Sache herausgehalten werden musste, soweit das menschenmöglich war. Angesichts von dessen Empfindungen gab es dazu unter Umständen nur einen Weg: die Wahrheit ermitteln, in der Hoffnung, dass Miss Sachari dann weniger schuldig dastand, als es jetzt aussah.
    »Ich werde versuchen, die Antworten auf diese Fragen zu finden, Sir«, sagte Pitt. »Aber dazu brauche ich eine gewisse Mithilfe von Ihnen.«
    »Gern, soweit ich dazu imstande bin«, gab Ryerson zurück. Er war nicht so sehr in die Ecke getrieben, dass er eine feste Zusage
gemacht hätte. In gewisser Weise tröstete das Pitt, lag darin doch ein Hinweis darauf, dass der Mann über Urteilskraft und Standhaftigkeit verfügte. »Ich werde nicht zulassen, dass sie für mein Handeln geradestehen muss, und auch keinen Meineid leisten, um meinen Ruf zu verteidigen. Denn das würde mir keinesfalls nützen, wie auch Mr Gladstone weiß. Wer bereit ist, um seiner Ziele willen die Wahrheit zu verdrehen, lügt irgendwann aus jedem beliebigen Grund.«
    »Gewiss, Sir«, gab ihm Pitt Recht. »Es war nicht meine Absicht, Sie zu einer Lüge anzustiften. Ganz im Gegenteil wollte ich Sie bitten, mir die ganze Wahrheit zu sagen, soweit sie Ihnen bekannt ist. Allerdings sollten Sie über Ihre Anwesenheit in Eden Lodge Stillschweigen bewahren, es sei denn, die Polizei würde Sie befragen. Aber ich denke, sie wird nichts dergleichen tun, solange sich das vermeiden lässt.«
    Ryerson lächelte bittersüß. »Vermutlich haben Sie Recht«, sagte er. »Was erwartet Mr Narraway von Ihnen?« In seinem Ausdruck war eine so winzige Veränderung eingetreten, dass Pitt sie nicht hätte beschreiben können, doch war ihm klar, dass sich dahinter ein rätselhaftes Geheimnis verbarg.
    »Er will, dass ich die Wahrheit ermittle«, gab er mit schiefem Lächeln zurück. Er wusste, dass das eine schwere, wenn nicht gar unmögliche Aufgabe war und dass die Wahrheit, vorausgesetzt, es gelang ihm, sie aufzudecken, höchstwahrscheinlich alles andere als nach seinem Geschmack sein würde. Außerdem musste man mit der Möglichkeit rechnen, dass sie sich nicht ohne noch mehr Qualen und Schmerzen verheimlichen ließ.
    Wortlos erhob sich Ryerson, um ihn an dem wartenden Lakaien vorüber selbst zur Tür zu geleiten.
     
    Es kostete Pitt den Rest des Vormittags und einen Teil des Nachmittags, bis er den Polizeiarzt McDade aufgespürt und ihn dazu gebracht hatte, ihm zuzuhören. Der Mann war massig, und sein Kinn, das wie ein Wasserfall aussah, fand seine Fortsetzung ohne erkennbaren Übergang im Hals. Ein Gummischurz umspannte
seinen gewaltigen Bauch, und seine Hände leuchteten rosa. Vermutlich hatte er sie kräftig geschrubbt, um die sichtbaren Spuren seines Tagewerks zu tilgen, wenn er schon damit den Geruch nach Karbol und Essig nicht beseitigen konnte. Er begrüßte Pitt mit gespielter Brummigkeit.
    »Ich dachte, ich wäre Sie losgeworden, als Sie aus der Bow Street verschwunden sind«, sagte er mit bemerkenswert wohlklingender Stimme. Abgesehen von seinem dichten gelockten Haar, das im Licht der Gaslampen schimmerte, schien das der einzige physische Vorzug zu sein, mit dem er aufwarten konnte. Seine Brauen hoben sich. »Was wollen Sie denn jetzt schon wieder? Ich kenne keine Bombenleger oder Anarchisten, und ich hoffe, das bleibt so, bis ich, auf einer Parkbank in der Sonne sitzend, friedlich an Altersschwäche sterbe. Ich kann Ihnen nicht

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