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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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eine Katastrophe und eine allgemeine Verarmung stehen. Ägypten hätte keine Baumwolle mehr zu verkaufen und auch kein Geld mehr, uns welche Industrieerzeugnisse auch immer abzunehmen. Möglicherweise würde es sogar zu einem Volksaufstand kommen. Maberley seinerseits würde den Ägyptern nachgeben. Das würde in ganz Mittelengland zu einem Aufruhr führen, den die Polizei gewaltsam unterdrücken müsste, wenn es nicht sogar nötig wäre, das Militär zu Hilfe zu holen.« Er setzte an, um noch mehr zu sagen, überlegte es sich dann aber anders und wandte sich von Pitt ab.
    »Zur Stunde weist alles darauf hin, dass die Ägypterin die Tat begangen und Ryerson ihr bereitwillig dabei geholfen hat, sie zu vertuschen.« Er stach mit einem Finger in die Luft. »Eine andere Lösung muss her. Versuchen Sie, mehr über diesen Lovat in Erfahrung zu bringen. Was für ein Mensch war er? Wie hat seine Beziehung zu der Frau ausgesehen? Da wird sich doch hoffentlich ein Grund dafür finden lassen, dass sie ihn umgebracht hat. Ansonsten wäre zu untersuchen, wer sonst noch als Täter infrage kommt.« Obwohl bei diesen Worten nicht die geringste Zuversicht in Narraways Stimme lag, hatte Pitt das unabweisbare Gefühl, dass er sich trotz aller Verbitterung an die schwache Hoffnung klammerte, es werde sich eine bessere Erklärung für den Mord an Lovat ergeben.
    »Sie kennen Ryerson, Sir«, begann Pitt. »Wird er sich wirklich mit in den Fall verwickeln lassen, falls die Frau unter Anklage gestellt wird? Würde er, sofern er das Bewusstsein einer Schuld oder Mitschuld hat, zurücktreten, um dann wenigstens nicht mehr dem Kabinett anzugehören?«
    Narraway kehrte ihm weiterhin den Rücken zu, sodass Pitt sein Gesicht nicht sehen konnte.
    »Ich denke schon«, erwiderte er. »Aber solange nicht ohne den geringsten Zweifel feststeht, dass ihn eine Schuld an Lovats Tod trifft, bin ich nicht bereit, ihm einen solchen Schritt nahezulegen.«
Damit wollte Narraway offensichtlich das Gespräch abschließen. Im Licht, das durch das schmale Fenster hereinfiel, sah Pitt, wie angespannt er dastand. »Berichten Sie mir morgen«, sagte er endlich. Als Pitt die Tür erreicht hatte, rief ihn Narraway noch einmal zurück.
    »Ja, Sir?«
    »Ich habe Sie in mein Ressort übernommen, weil mir Cornwallis versichert hat, Sie seien nicht nur sein bester Kriminalbeamter mit Zugang zur besseren Gesellschaft, sondern vor allem auch ein Mann, der es versteht, mit Umsicht und Feingefühl vorzugehen und dabei die Wahrheit ans Licht zu fördern.« In seinen Worten schwang eine Frage und zugleich eine Bitte mit. Einen Augenblick hatte Pitt den Eindruck, Narraway erwarte von ihm Hilfe in einer Sache, die er weder genau benennen noch erklären konnte.
    Dann schwand der Moment.
    »Machen Sie weiter«, sagte Narraway.
    »Ja, Sir«, wiederholte Pitt, ging hinaus und schloss die Tür hinter sich.
    Er suchte auf kürzestem Weg Lovats Dienststelle in Whitehall auf. Nicht nur hatte die Polizei selbstverständlich schon dort nachgefragt, sondern das Amt war sogar in Lovats Nachruf genannt worden, sodass jeder über die Art seiner Tätigkeit informiert war. Als Pitt eintraf, empfing ihn Ragnall, ein Beamter von Anfang vierzig, mit lustloser Schicksalsergebenheit. Vermutlich hatte er bereits alle in diesem Zusammenhang denkbaren Fragen beantwortet. Sie standen in dem unauffällig eingerichteten stillen Büro, von dem aus der Blick auf die königlichen Gardisten fiel, die hoch zu Ross Wache hielten. Ragnall sah Pitt zwar geduldig, aber mit nur mäßigem Interesse an.
    Mit den Worten: »Ich wüsste nicht, was ich Ihnen groß mitteilen könnte«, bedeutete er dem Besucher, im Sessel gegenüber seinem Schreibtisch Platz zu nehmen. »Ich kann Ihnen lediglich sagen, was Sie sich bestimmt selbst denken können: Er hat der Frau so lange zugesetzt, bis sie ihn in ihrer Verzweiflung erschossen hat ... entweder, weil sie glaubte, in Notwehr zu handeln, oder,
wahrscheinlicher, weil er damit gedroht hat, ihre gegenwärtige Beziehung zu zerstören.« Ein leichter Ausdruck von Widerwillen trat auf sein Gesicht. »Bevor Sie mich fragen - ich habe keine Ahnung, welcher Art diese Beziehung sein könnte.«
    Pitt hatte sich zwar von Anfang an nicht viel von dem Gespräch versprochen, hätte aber nicht gewusst, wo er sonst beginnen sollte. Er lehnte sich bequem zurück und sah Mr Ragnall an.
    »Sie meinen, er könnte Miss Sachari so sehr zugesetzt haben, dass sie angenommen hat, ihm nicht mit einer

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