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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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gemerkt, dass die Sanftmut in ihren Worten aufrichtig gemeint war, denn mit einem Mal lächelte er ihr auf eine Art zu, die ihr ungewohnt zärtlich erschien. Was sie dabei empfand, hätte sie zu niemandem gesagt, aber es kam ihr in diesem Augenblick so vor, als ob auf seinem Gesicht geradezu eine Art Schönheit läge.
     
    Nachdem Pitt jedem Namen auf der Spur des Leidens nachgegangen war, die Edwin Lovat mit seinen Affären hinterlassen hatte, ohne dabei etwas anderes als Unglück und hilflosen Zorn zu entdecken, gab er die Fährte auf, da sie offenkundig zu keinem Ergebnis führte.
    Beim Versuch, den Fall unter einem völlig anderen Blickwinkel zu betrachten, kam ihm ein verrückter Einfall. Mitunter lohnte es sich, sogar die nächstliegenden Annahmen zu verwerfen und so zu tun, als könnten sie auf keinen Fall die Lösung liefern. Lovat war mitten in der Nacht im Garten von Eden Lodge erschossen worden. Es schien ihm keinen Sinn zu ergeben, dass Miss Sachari hinausgegangen war, um nachzusehen, wer im Gebüsch lauern mochte, und dabei ihre Pistole mitgenommen hatte, denn das hätte ohne weiteres ihr Diener tun können. Ganz davon abgesehen, hatte sie ein Telefon im Hause, mit dem sie Hilfe herbeirufen konnte, ohne sich selbst zu gefährden.
    Ursprünglich hatte Pitt vermutet, sie habe von Lovats Anwesenheit im Garten gewusst, doch konnte er sich keinen nachvollziehbaren Grund denken, warum sie den Mann hätte töten sollen. Wenn sie nicht mit ihm sprechen wollte, brauchte sie nur im Hause zu bleiben, und sofern sie nicht wusste, wer sich da mitten in der Nacht draußen herumtrieb, wäre das erst recht sinnvoll gewesen.
    Was aber, wenn sie einen anderen hinter dem Haus vermutet und Lovat erst erkannt hatte, als er tot war? Im Garten war es dunkel, und die fragliche Stelle hätte auch dann noch im Schatten gelegen, wenn alle Erdgeschossräume hell erleuchtet gewesen wären, was um drei Uhr morgens so gut wie ausgeschlossen war.
    Bestand die Lösung des Rätsels möglicherweise darin, dass sie Lovat mit einem anderen verwechselt hatte? Aber mit wem?
    Als Erstes suchte er das Haus noch einmal auf. An diesem frischen Herbstmorgen, an dem das Licht in langen goldenen Strahlen quer über die stille Straße fiel, wirkte alles sonderbar leer. Völlige Windstille herrschte, nicht einmal das Birkenlaub rührte sich. Er konnte in der Ferne Hufschlag hören. Irgendwo über ihm sang ein Vogel. Eine kleine schwarze Katze schlich durch die verblühten Lilien, die zurückgeschnitten werden mussten.
    Der Diener öffnete ihm.
    »Guten Morgen, Sir«, sagte er höflich, aber mit ausdruckslosem Gesicht. »Was kann ich für Sie tun?«
    »Guten Morgen«, gab Pitt zurück. »Sie können mir dabei helfen, einige Dinge zu klären.«
    El Abd bat ihn einzutreten und führte ihn ins Empfangszimmer. Es schien ihm nicht recht zu sein, dass sich ein Polizeibeamter in diesem Teil des Hauses aufhielt. Immerhin gehörten Pitt und seine Herrin gesellschaftlich gesehen zwei völlig verschiedenen Welten an. Andererseits waren die Hauswirtschaftsräume sein Reich, dort wollte er keinen Außenstehenden haben. Vermutlich um Pitt die Situation zu verdeutlichen, unterließ er es, ihm eine Erfrischung anzubieten.
    »Was kann ich für Sie tun, Sir?«, fragte er und blieb stehen, ein Zeichen für den Besucher, dass auch er sich nicht setzen sollte.
    Pitt blieb nicht viel Zeit, sich in dem Raum umzusehen, doch fiel ihm auf, dass er in dezenten Farben gehalten und hell war. Alles war schlichter und weniger voll gestellt, als er es aus anderen Empfangszimmern kannte. Auf einem Tischchen sah er eine etwa einen halben Meter lange Plastik eines liegenden Tieres mit großen Ohren, das aussah wie ein Jagdhund. Es war eine herrliche Arbeit.
    Es musste El Abd aufgefallen sein, dass sein Blick daran hängen geblieben war.
    »Das ist Anubis, Sir«, sagte er. »Einer der alten Götter unseres Landes. Natürlich leben die Menschen, die an ihn glaubten, schon lange nicht mehr.«
    »Das ändert nichts an der Schönheit dieses Kunstwerks«, erwiderte Pitt.
    »Gewiss, Sir. Was wollen Sie von mir wissen?« Das Gesicht des Dieners wirkte nach wie vor undurchdringlich.
    »Brannte in diesem Raum Licht, als Mr Lovat erschossen wurde?«
    »Wie bitte, Sir? Ich verstehe nicht. Mr Lovat wurde im Garten erschossen ... Draußen. Er hat das Haus nicht betreten.«
    »Sie waren also wach?«, fragte Pitt überrascht.
    Einen Augenblick lang schien der Mann die Fassung zu verlieren, dann aber

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