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Die Frau aus Alexandria

Die Frau aus Alexandria

Titel: Die Frau aus Alexandria Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Perry
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Antwort. »Aber ich hab gesagt, dass sie’n schlimmes Fieber hat.« Das damit verbundene Eingeständnis, gelogen zu haben, machte sie verlegen, denn sie wusste, dass ihm jede Unwahrheit zuwider war. Wenn sie es aber nicht zugab, wäre sie ihm gegenüber unaufrichtig, und das wollte sie auf gar keinen Fall. Rasch sprach sie weiter. »Ich hab gesagt, ich wollte das ihr’m Bruder sagen. Die Leute wiss’n nich, wo er is, Samuel, wirklich nich! Se mach’n sich selber Sorg’n.« Sie beugte sich über den Tisch näher zu ihm vor. »Die ha’m gesagt, Mr Stephen trinkt viel zu viel. Dann kriegt er fürchterliche Tobsuchtsanfälle, oder das heulende Elend packt ’n. Das muss grauenhaft sein. Dann kann ihm nur Martin helf’n, und deshalb würd er ’n auch nie wegschick’ n.« Sie sah ihn flehend an und merkte, dass in seinen Augen Ungläubigkeit und Besorgnis miteinander im Widerstreit lagen.
    »Sind Sie sicher, dass Ihnen die Leute all das gesagt haben?«, fragte er stirnrunzelnd. »Falls Mr Garrick das wüsste, würde er sie alle miteinander ohne Zeugnis zum Teufel jagen! Ich habe noch nie gehört, dass Dienstboten etwas über den Haushalt sagen, in dem sie arbeiten, außer wenn man sie ohnehin schon entlassen hatte und sie sich rächen wollten.«
    »So Wort für Wort ha’m die das natürlich nich gesagt!«, erklärte sie geduldig. »Ich hab in der Küche gesess’n, und die ha’m mir ’ne Tasse Tee gege’m, während ich ihn’n die Sache mit Tilda erzählt hab. Dabei is dann rausgekomm’n, was für’n feiner Kerl Martin is und wie wichtig für sein’ Herrn.«
    Ein leichtes Lächeln zuckte um Tellmans Mundwinkel. Es mochte Bewunderung bedeuten, vielleicht aber war es nur Belustigung.
    Gracie merkte, dass sie errötete. Das kam bei ihr gewöhnlich nicht vor, und es ärgerte sie, weil es ihre Empfindungen zeigte. Auf
keinen Fall wollte sie, dass sich dieser Samuel Tellman einbildete, sie habe etwas für ihn übrig.
    »Ich kann Leute gut ausfrag’n«, sagte sie hitzig. »Schließlich arbeit’ ich schon lange für Mr Pitt – länger wie Sie.«
    Mit einem halben Lächeln sog er die Luft scharf ein und stieß sie wieder aus, ohne zu sagen, welche Gedanken ihm durch den Kopf gingen. »Die Leute sind also sicher, dass Garrick den jungen Mann unter keinen Umständen hätte gehen lassen? Ist es denkbar, dass er Garricks Launen satt hatte und aus freien Stücken gegangen ist?«
    »Ohne Tilda oder sons jemand was zu sag’n?«, fragte Gracie ungläubig. »Das is ja wohl nich Ihr Ernst. Man kündigt, wie sich das gehört, un haut nich einfach ab.« Sie sah den Anflug von Verachtung auf seinem Gesicht, ein Hinweis auf seine Ansichten zum Thema Dienstboten. »Komm’n Se mir ja nich wieder damit!«, mahnte sie ihn. »Hier is wirklich einer in Gefahr, un die Sache könnte schlimm werd’n. Wir ha’m keine Zeit, uns darüber zu streit’n, wie man leb’n sollte un wie nich.« Sie sah ihn beherrscht an, und ein Gefühl der Erregung und Vertrautheit überkam sie, als sie merkte, wie er ihren Blick erwiderte. Sie spürte die Hitze auf ihren Wangen und stellte fest, dass die Dinge anfingen, vor ihren Augen zu verschwimmen. »Wir müss’n unbedingt was tun, um ’m zu helf’n.« Das ›wir‹ betonte sie mit voller Absicht. »Ohne Sie komm ich nich weit, Samuel, un ich will’s nich allein probier’n müss’n.« Sie war das Wagnis eingegangen, das zwischen ihnen bestehende Vertrauensverhältnis in die Waagschale zu legen. Das erstaunte sie selbst, denn zwar war dies Verhältnis zerbrechlich, doch merkte sie verblüfft, dass es ihr weit mehr bedeutete, als sie bis dahin angenommen hatte. »Irgendwas muss mit ’m passiert sein«, fügte sie ruhig hinzu. »Vielleicht is dieser Mr Stephen tatsächlich verrückt, wie die Leute sag’n. Wenn er nun Martin umgebracht hat un die Familie das vertusch’n will? Dann is das ’n Verbrechen, auch wenn keiner was dageg’n tut, weil außer denen keiner was weiß.«
    Er dankte der Bedienung, die sein Essen und eine weitere Kanne Tee brachte. Seine Entscheidung war bereits gefallen, doch hielt er
Gracie hin, indem er so tat, als müsse er noch überlegen. Das war eine Frage der Selbstachtung, doch wussten beide, dass die Würfel gefallen waren.
    »Ich sehe mir die Sache einmal an«, sagte er schließlich. »Da kein Verbrechen gemeldet worden ist, muss ich aber sehr vorsichtig sein. Ich werde Ihnen sagen, was ich herausbekomme.«
    »Danke, Samuel«, sagte sie. Womöglich hatte er

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