Die Frau aus dem Meer
beiden Zisternen, dass es eine Freude war. Sie stellten die Fässer zurück an ihren Platz, und nachdem er den vereinbarten Lohn bekommen hatte, fuhr Aulissi mit dem Karren wieder davon.
«Marù, das Wasser steht bereit.»
Maruzza kam vom Schlafzimmer herunter, nur in ein Laken gehüllt und die Muschel in der Hand. Sie kam heraus, ging zur ersten Zisterne, stieg die Treppe hinauf, warf das Laken ab und setzte sich auf den Rand. Sie legte die Muschel zur Seite, glitt dann, sich mit beiden Händen haltend, ins Wasser hinein und verschwand. Gnazio, der ganz verzaubert dastand und sie betrachtete, sah, wie ihre Hand auftauchte, nach der Muschel griff und sie mit hinunter nahm. Nach einer Weile hörte er sie singen.
«O Wasser des Meeres, gefangen wie ich», sang sie, «vielleicht sind wir eines Tages wieder frei wie einst … Weißt du noch, wie vor tausend Jahren du mit mir spieltest und einen Delphin mir schenktest, ich umarmte ihn, und er trug mich fort, weit, weit fort …»
Das war ein so wehmütiges Lied, dass Gnazio, um es nicht hören zu müssen, seine Hacke nahm und arbeiten ging. Doch auch in der Ferne erreichten ihn Maruzzas Worte deutlich und klar. Jetzt sang sie ein anderes Lied, in dem es hieß, wie schön es ist, wenn der Schlaf dich überkommt und die Welt um dich herum nach und nach ihre Farben verliert, sie wird grau, und die Augenlider werden schwer, so schwer, dass sie nicht länger offen bleiben können …
Es ist nicht klar, wie es kam, doch Gnazio wurde so sehr von Müdigkeit übermannt, dass er sich unter einen Baum legte und einnickte. Kurz bevor er jedoch ganz ins Dunkel des Schlafes hinüberglitt, hörte er, dass Maruzza ein anderes Lied begonnen hatte.
«O mein heißbegehrter Geliebter, o mein Geliebter, schön wie die Sonne, lass mich nicht länger warten, ich bin nackt im Meerwasser, das mich streichelt wie deine Hände …»
Als er aufwachte und die Sonne sah, erkannte er, dass er mindestens, allermindestens vier Stunden geschlafen haben musste und es nun Zeit war zu essen.
Maruzza hatte Pasta und Bohnen und Fleisch mit Tomatensoße bereitet. Aber sie hatte nur ein Gedeck aufgelegt.
«Isst du denn nicht?»
«Ich bin ganz satt», antwortete Maruzza.
Sie hatte ein zufriedenes, glückliches Aussehen. Wie war es nur möglich, dass sie noch schöner geworden war? War das die Wirkung, die das Bad im Meerwasser hervorrief? Hin und wieder fuhr sie sich mit der Zungenspitze über die Lippen und lächelte dann, als würde sie einem Gedanken nachhängen. Sie saß vor ihrem Gatten, der angefangen hatte zu essen, und für Gnazio, der sie anblickte, war sie wie eine Katze, die gerade eine Maus verspeist hatte.
«Ist die Zisterne so, wie du sie wolltest?»
«Ganz so.»
«Hat dir das Wasser gereicht?»
«Es hat mir gereicht.»
«Dann werde ich, wenn ich mit dem Essen fertig bin, den Pfropfen herausziehen und die erste Zisterne leeren.»
«Nein», sagte Maruzza. «Das musst du heute Nacht tun, wenn es stockdunkel ist.»
Gegen fünf Uhr nachmittags ließ Maruzza sich in die zweite Zisterne hinab und blieb dort singend bis um acht.
«Brauchst du morgen wieder Wasser?», fragte Gnazio sie.
«Nein.»
«Kann ich die Zisterne leeren?»
«Diese hier wohl. Die andere erst, wenn es ganz dunkel ist.»
Als Gnazio vor dem Zubettgehen die erste Zisterne entpfropfte, schoss das Wasser zunächst heraus wie eine Fontäne, danach wurde es schwächer, so als wäre da etwas, das die Öffnung verstopfte. Der Mond schien nicht, und Gnazio konnte nichts sehen. Da beschloss er, den Pfropfen nicht wieder hineinzustecken, damit die Zisterne sich während der Nacht weiter entleeren konnte.
«Sei geduldig bis morgen», sagte Maruzza zu ihm mit schläfriger Stimme, als Gnazio sie mit seiner Hand suchte.
Am nächsten Morgen wachte Gnazio beim ersten Tagesdämmer auf. Maruzza, und das war sehr seltsam, schlief noch. Vielleicht hatten die sechs Stunden im Meerwasser sie so ermüdet. Durch das Fenster fiel ein Lichtstrahl, der sich genau auf Maruzzas entblößten Bauch legte, die wegen der Hitze das Betttuch zerwühlt hatte. Sie lag auf dem Rücken, die Beine leicht auseinander, ein Arm hinter dem Kopf, der andere hing am Bett herunter. Gnazio setzte sich auf und betrachtete sie aus der Nähe. Sie sollte eine Sirene sein? Sie war eine Frau, und was für eine! Ihre Weiblichkeit befand sich genau da, wo sie sein musste. Was für einen Unsinn erzählte ihm Maruzza da nur?
Doch während er hinunterging, kam ihm
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