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Die Frau aus dem Meer

Die Frau aus dem Meer

Titel: Die Frau aus dem Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Camilleri
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ein Gedanke. Er hatte tags zuvor nicht die Möglichkeit gehabt, sie so zu betrachten. Daher war es ja durchaus möglich, dass die Weiblichkeit Maruzza am vorhergehenden Tag gefehlt hatte. Vielleicht hatte sie sich verschlossen und war erst über Nacht wieder zum Weib geworden. Jedenfalls, das wirklich Wichtige, ja, das einzig Wichtige war, dass ihre Weiblichkeit jetzt wieder da war.
    Gegen Mittag, als er mit seiner Arbeit zugange war, hörte er, wie Maruzza ihn vom Balkon aus rief.
    «Gnazio! Komm nach Hause, man will mit dir reden!»
    Unter dem Olivenbaum standen zwei städtisch gekleidete Männer. Der eine war um die vierzig und untersetzt, mit goldener Brille, der andere war jünger.
    Polizei!, dachte Gnazio auf der Stelle.
    Denn die Polizei, ob in Vigàta oder in New York, sieht immer gleich aus. Und so war es.
    «Ich bin der Amtsbevollmächtigte Pàmpina», sagte der mit der Brille. «Und das hier ist Wachtmeister Prestia. Seid Ihr Manisco Ignazio?»
    «Ja doch, ja. Möchtet Ihr ein Glas Wein?»
    «Nein.»
    «Möchtet Ihr ins Haus kommen?»
    «Ja.»
    Sie gingen hinein, Pàmpina und Gnazio setzten sich, Prestia blieb stehen.
    «Kennt Ihr einen jungen Mann mit Namen Dimare Ulisse?»
    «Aber sicher.»
    «Trifft es zu, dass Ihr gestern in aller Frühe zu ihm gegangen seid, weil Ihr ihn und seinen Karren gebraucht habt?»
    «Das stimmt.»
    «Erzählt mir, was Ihr gemacht habt.»
    Gnazio erzählte ihm alles. Der Bevollmächtigte wirkte ein wenig verstört.
    «Aber wozu braucht Ihr so viel Meerwasser?»
    Gnazio erzählte ihm eine Halbwahrheit.
    «Weil meine Frau hin und wieder Lust auf ein Bad in Meerwasser hat.»
    «Warum geht sie dann nicht zum Strand, der ist doch in der Nähe?»
    «Ich kann sie nicht dahin begleiten, und am Strand gibt es viele Fischer.»
    «Verstehe … Und nachdem der Junge mit dem Karren wieder abgefahren ist, habt Ihr ihn danach nochmal gesehen?»
    «Nein, nicht.»
    «Und Eure Frau?»
    Statt einer Antwort rief Gnazio Maruzza herbei. Und sobald sie auf der Holztreppe erschien, sagte er:
    «Fragt sie selbst!»
    Wie schön Maruzza war, merkte Gnazio daran, dass der Amtsbevollmächtigte von seinem Stuhl hochfuhr und aufrecht stehen blieb, fast schon in Habtachtstellung. Und Prestia zeigte sich ziemlich benommen und hielt sich am Tisch fest.
    «Si… Si… Signora …», sagte der Bevollmächtigte. «Mir … mir … tut es leid, Euch zu stören, doch ich muss Euch fragen, ob Ihr gestern Morgen …»
    «Ich habe alles gehört, was Ihr meinem Mann gesagt habt», unterbrach ihn Maruzza. «Nein, diesen Jungen habe ich nicht mehr gesehen, nachdem er das Wasser gebracht hat.»
    «Danke», sagte Pàmpina.
    «Bitte», sagte Maruzza.
    Und sie stieg wieder nach oben.
    «Darf ich erfahren, was geschehen ist?», fragte Gnazio.
    «Der Junge ist mit dem Karren nach Hause zurückgekehrt, doch nach einer Weile sagte er zu seiner Mutter, er würde weggehen, weil er eine Stimme gehört hätte, die ihn rief, und danach ist er nicht mehr wiedergekommen. Zeigt Ihr mir, wo Eure Frau das Bad nimmt?»
    Gnazio brachte sie zur ersten Zisterne. Er bemerkte, dass sie sich während der Nacht völlig geleert hatte, und setzte den Pfropfen wieder ein.
    «Warum habt Ihr kein Becken gebaut?», fragte Pàmpina.
    «Weil jeder, der den Weg entlangkommt, meine Frau in einem Becken hätte sehen können.»
    «Das ist richtig», sagte der Amtsbevollmächtigte. «Wir gehen jetzt. Meiner Ansicht nach verlieren wir hier nur unsere Zeit. Der Junge wird irgendeinem Mädchen nachgestiegen sein.»
    Als der Amtsbevollmächtigte und der Wachtmeister gegangen waren, deckte Maruzza den Tisch nur für einen.
    «Isst du denn nicht auch?», fragte Gnazio.
    «Ich habe keinen Appetit.»
    «Fühlst du dich nicht wohl?»
    «Alles in Ordnung, mach dir keine Sorgen! Soll ich dir was sagen?»
    «Aber sicher.»
    «Ich habe dem Amtsbevollmächtigten nicht die Wahrheit gesagt. Aulissi kam zurück, kurz nachdem du arbeiten gegangen warst. Während ich in der Zisterne war, kam er plötzlich herein, nackt, und umarmte mich. Er wollte das Eine mit mir tun, er war wie von Sinnen.»
    Gnazio fühlte sich unversehens wie ausgedörrt.
    «Und weiter?»
    «Da habe ich ihn mit aller Kraft gepackt und seinen Kopf lange unter Wasser gehalten. Danach habe ich ihn losgelassen. Halb ertrunken gelang es ihm, den Rand der Zisterne zu fassen, er kletterte hinaus und lief weg.»
    «Wieso hast du mir das nicht gleich erzählt?»
    «Weil du, wenn ich es dir erzählt hätte, auf

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