Die Frau aus dem Meer
Freude gemacht, doch eigens dafür nachts aufzustehen, um ihn zu betrachten, das kam ihm übertrieben vor.
«Komm wieder zurück und leg dich hin, du brauchst den Schlaf!»
«Ich komme schon,
patre
.»
Weil Cola ein kluger Junge war, der bereits zählen konnte, hatte Gnazio damit begonnen, ihn mit dem Esel nach Vigàta zu schicken, um dort frische Eier und Gemüse und Obst zu verkaufen. Cola konnte immer alles verkaufen, er hatte eine überzeugende Art, konnte gut reden und war allen sympathisch. Und wenn er das Geld nach Hause brachte, fehlte nie auch nur ein Centesimo. Er hatte eben diese Leidenschaft, die Sterne zu betrachten –
pazienza
, gemach! Er fügte ja niemandem Schaden zu, außer sich selbst, denn er verlor viele Stunden Schlaf.
Eines Tages nahm er ihn auf dem Maultier mit zum Markttag nach Montereale für das Osterfest. Gnazio wollte zwei Ziegen kaufen.
Irgendwann merkte er, dass Cola nicht mehr bei ihm war. Er machte sich keine Sorgen, sein Sohn war viel zu aufgeweckt und unerschrocken, um verloren zu gehen. Er suchte ihn bei jedem Verkaufsstand.
Schließlich fand er ihn still an einem Stand, an dem die sonderbarsten Dinge feilgeboten wurden: Bügeleisen, eine Flinte, ein Bronzekopf, Geld aus der Zeit der Bourbonen, Instrumente, von denen er nicht wusste, wozu sie dienen mochten.
Doch Cola stand unbeweglich da und betrachtete ein altes Fernrohr mit Stativ, hin und wieder streckte er die Hand aus und streichelte es.
Gnazio war bewegt. Er begriff, wie sehr sein Sohn sich das Fernrohr wünschte. Warum sollte er ihm diesen Wunsch nicht erfüllen? Ehrlich gesagt, er hatte es sich verdient. Er war ein tüchtiger, folgsamer Junge geworden. Er trat neben seinen Sohn.
«Gefällt es dir?»
«Sicher,
patre
, damit könnte ich alle Sterne sehen, die ich sehen will.»
«Wie viel kostet es?», fragte Gnazio den Verkäufer.
Der nannte ihm einen Preis, der ihn bald umwarf, damit hätte man sich eine Salme Land kaufen können.
Gnazio antwortete, dass er die Hälfte von der Hälfte von der Hälfte geben könnte. Nach einer halben Stunde Hin- undhergefeilsche hatte Cola sein Fernrohr und weinte vor Glück.
Damit sein Sohn nachts nicht hinaus und über Land gehen musste, weil man ja nie wusste, wem er begegnen könnte, ersann Gnazio eine Lösung.
Er nahm einen Teil der Schindeln aus der Mitte des Dachs des oberen Zimmers, des Balkonzimmers, heraus und baute dort ein quadratisches Kämmerchen von eineinhalb mal eineinhalb Metern und drei Metern Höhe ohne Fenster, aber mit einem Türchen. Das Dach des Kämmerchens war flach und bestand nur aus Zement und Sand, ohne Schindeln, und an drei Seiten sprang es einen halben Meter vor. An der Seite ohne Vorsprung befand sich eine Treppe, die es ermöglichte, aufs Dach zu gelangen.
Auf diese Weise konnte Cola sein Fernrohr nehmen, das er in dem Kämmerchen aufbewahrte, aufs Dach hinaufsteigen, sich bequem hinsetzen und alle Sterne betrachten, die er wollte.
Unterdessen stand Resina auf dem Balkon, auch wenn ihre Mutter nicht da war, und sang allein in die Muschel. Doch Gnazio verstand ihre Worte noch nicht.
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Der Besuch des Amerikaners und
andere Geschichten
Am Morgen eines frühen Maitags des Jahres neunzehnhundertacht bemerkte Gnazio, als er mit dem Maultier durch das Tor kam, um nach Vigàta zu reiten, dass auf dem Weg ein Mann stand, der auf einem Stativ einen Fotoapparat von den Ausmaßen eines kleinen Sarges befestigt hatte. Auf der Erde neben dem Stativ stand ein prallgefüllter Rucksack, der jeden Augenblick zu platzen drohte.
Der Mann war um die fünfunddreißig, blond, hochgewachsen, hager und offensichtlich ein Ausländer, schon allein wegen der Art, wie er gekleidet war.
«Goodbye»
, sagte der Ausländer.
«Goodbye»
, erwiderte Gnazio.
«Ihr sprecht Englisch?»
«Ich habe fünfundzwanzig Jahre in Amerika gelebt.»
«Oh, gut! Ich heiße Lyonel und bin Amerikaner.»
«Und ich heiße Gnazio», sagte Gnazio und nahm die Schiebermütze ab.
Der Mann kam auf ihn zu und reichte ihm die Hand, Gnazio schüttelte sie, stieg aber nicht vom Maultier.
Sie redeten auf Amerikanisch weiter. Der Amerikaner in gutem Amerikanisch, Gnazio in verhunztem Amerikanisch.
«Seid Ihr der Eigentümer dieses Hauses?», fragte der Mann.
«Ja.»
«Wer hat es für Euch entworfen?»
Entworfen? Was heißt hier «entworfen»? Wie konnte dieser Kerl nur einen derartigen Blödsinn reden? Was war er denn? Ein Trottel vielleicht? Sie
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