Die Frau aus dem Meer
wie den kleinen Tisch. Einen weiteren größeren Tisch und noch einen Stuhl stellte er ins untere Zimmer, das auf diese Weise zum Esszimmer wurde.
«Es gäbe da Ninetta Spampinato», sagte Donna Pina, als sie sich nach eineinhalb Monaten wieder einfand.
«Wie alt ist sie?»
«Fünfundzwanzig.»
Gnazio erinnerte sich an einen Spruch, den Tano ihm noch in Amerika gesagt hatte: «Eine Frau in den Zwanzigern/hat morgens und abends den Schwanz ganz gern.» Er war besorgt.
«Ist sie nicht zu jung für mich?»
«Mit einer Jungen neben dir/lässt jede Krankheit ab von dir», sagte Donna Pina.
«Allzu junge Frau gefreit,/bedeutet sicheres Witwenleid», erwiderte Gnazio.
«Na, einverstanden, ich suche für Euch eine Ältere», sagte die alte Pina im Weggehen.
Nach zwei Wochen kehrte sie zurück.
«Da wäre Caterina Tumminello.»
«Wie alt ist sie?»
«Zweiunddreißig.»
«Wie kommt es, dass sie noch nicht verheiratet ist?»
«Sie hinkt.»
«Sie auch?»
«So ist es.»
«Ist sie gestürzt?»
«Sie ist so auf die Welt gekommen. Aber sie hinkt auf dem gleichen Bein wie Ihr. Und das ist von Vorteil.»
«Wieso?»
«Weil Ihr euch so, wenn Ihr nebeneinander hergeht, nicht gegenseitig anrempeln werdet. Der eine stößt nicht mit dem Kopf gegen den anderen. Und dann kennt Ihr doch bestimmt auch das Sprichwort: ‹Eine Frau mit Hinkebein/wird ein guter Fick dir sein.›»
«Überzeugt mich trotzdem nicht.»
«Und außerdem hat sie eine schöne Mitgift! Drei Salmen Land bei Spinuzza und eine Aussteuer von je sechs mal sechs Teilen.»
«Spinuzza ist doch wüstes Land, nur Steine und Grotten!»
«Meinetwegen, aber der Vater hat ihr sein ganzes Land hinterlassen, und das ist dreimal so groß wie Eures.»
Zu viel der Gnade, heiliger Antonius! In Gnazio regte sich der Zweifel.
«Hat sie zufällig noch andere Behinderungen?»
«Na ja, aber das ist nicht weiter von Bedeutung.»
«Dann sagt’s mir einfach!»
«Mit einem Aug schielt sie auf Christus und mit dem anderen auf Johannes.»
«Lassen wir’s bleiben.»
«Soll ich weitersuchen?»
«Aber sicher!»
«Kann ich auch unter den Witwen suchen?»
«Bloß keine Witwen!»
«Wieso nicht?»
«Willst du eine Witwe frei’n,/wirst du stets im Unrecht sein,/denn immerzu das letzte Wort/nur der schönen Leich’ gehort», sagte Gnazio.
«Ihr dürft allerdings auch nicht vergessen, dass Ihr schon siebenundvierzig seid», entgegnete die Alte.
Einen Monat lang, wann immer Donna Pina auf ihrem Weg bei Gnazio vorbeikam und ihn gewahrte, hob sie den Arm und rieb Daumen und Zeigefinger gegeneinander, womit sie zu verstehen gab, dass noch nichts in Sicht war.
Dann kam die Alte eines Abends zu ihm, setzte sich unter den Olivenbaum, und statt um das übliche Glas Wasser bat sie ihn um ein Glas Wein.
«Diesmal scheint mir die Sache ernst», sagte sie.
Gnazio brachte einen Krug Wein und zwei Gläser. Sie tranken schweigend.
Dann fuhr sich Donna Pina mit der Hand in den Brustwickel und holte eine Karte hervor, die sie Gnazio aber nicht zeigte.
«Wie alt ist das junge Ding?»
«Dreiunddreißig.»
«Na ja, so jung ist sie nun auch wieder nicht! Und wie kommt es, dass sie noch …»
«Das erkläre ich Euch später.»
«Ist sie in Vigàta geboren?»
«Ja und nein.»
«Was bedeutet das: ja und nein? Entweder ist sie aus Vigàta, oder sie ist nicht aus Vigàta!»
«Sie wurde auf dem offenen Meer geboren.»
Gnazio fühlte sich wie vor den Kopf geschlagen.
«Erklärt das genauer!»
«Ihre Mutter befand sich im Boot ihres Mannes, und sie musste so niederkommen. Sie haben das kleine Ding mit Meerwasser abgewaschen.»
«Hat sie eine Mitgift?»
«Nein. Sie ist arm. Aber sie hat etwas anderes.»
«Was ist das?»
«Das sage ich Euch später.»
«Entschuldigt, Donna Pina, aber wenn Ihr mir alles erst später sagt, worüber reden wir dann jetzt?»
«Nun, ich kann Euch derweil erzählen, dass ihr Vater, als sie fünf Jahre alt war, mit seinem Boot hinausfuhr, in einen Sturm geriet und nie wiederkam. Ihre Mutter starb im Jahr darauf an Herzeleid. Da wurde die Kleine im Haus ihres Onkels ’Ntonio aufgenommen, ein Bruder ihres Vaters, der ebenfalls Fischer war.»
«War?»
«Ja, denn auch er ertrank.»
Bloß weg von diesen Leuten, die alle etwas mit dem Meer zu tun hatten!
«Hört mich an, Donna Pina …»
«Lasst mich ausreden! Da kümmerte sich die Kleine dann um die kranke Tante. Und sie weigerte sich zu heiraten, solange die Tante noch lebte. Daher ist sie
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