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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Seidert
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der Werbestelle Verviers / Belg.«.
    Es lag im Interesse des Betriebs, die Arbeitskräfte zu halten, die eingearbeitet waren. In der Untertürkheimer Konzernzentrale von Daimler-Benz waren bereits seit einiger Zeit Planspiele darüber angestellt worden, wie sich die Werke in Belgien und Nordfrankreich im Falle der erwarteten Invasion der Alliierten an der Atlantikküste verhalten sollten. Es wurden Fragen durchgespielt wie: Sollte man die Maschinen, die Prüfstände, Kräne, Motoren und die Beschäftigten, allen voran die deutschen, für die man eine besondere Verantwortung spürte, in Sicherheit bringen, indem man das Werk nach Osten ins Kernreich verlagerte? Oberstes Ziel der Konzernspitze war, weder Produktionsmittel noch Kapital zu verlieren. Oder sollte man sich überrollen lassen, Maschinen und Motoren den Briten und Amerikanern überlassen und hoffen, dieses Kapital nach dem Krieg zurückzubekommen?
    Die Entscheidung konnten die Untertürkheimer jedoch nicht allein fällen. Solche Überlegungen geschahen in der Regel in Abstimmung mit der Luftwaffe, dem Jägerstab, der die Luftrüstung koordinierte, dem Reichssicherheitshauptamt RSHA und den Beamten von Speers Rüstungsministerium. Auch ein Front-Reparaturbetrieb hatte seine Aufgabe zu erfüllen – und gar, wenn es sich bei den zu reparierenden Teilen um die Motoren der in dieser Phase des Krieges für die Luftwaffe so wichtigen Kampfflieger handelte.
    Ady (li) mit Freundinnen oder Kolleginnen, Antwerpen 1942 .
    Die Parallelität der nun folgenden Abläufe ist schier unglaublich und lässt sich nur dadurch erklären, dass der Nachrichtenfluss so stark eingeschränkt war und die entscheidenden Informationen die Bevölkerung nicht erreichten.
    Anfang Juni 1944 landeten die Alliierten mit ihrer Invasion »Overlord« in der Normandie und kämpften sich ins Landesinnere vor. Für Antwerpen kam die Befreiung in Sicht, doch in der Stadt schien niemand davon zu wissen.
    In ihrem ersten Brief an mich schrieb Renée – ich übersetze ihr Englisch wieder ins Deutsche: »Wir wussten 1944 nicht, dass die Alliierten den belgischen Grenzen so nah waren – im Radio sagten siekein Wort darüber und meine Mutter beschwor uns, meinen Bruder und mich, auf keinen Fall ›English Broadcast‹ zu hören, sie wolle uns nicht im Gefängnis sehen. Mein Vater war bereits in Deutschland zum Arbeitseinsatz.« Später präzisierte Renée die Entwicklung im Reparaturbetrieb in einem anderen Brief: »Wir sahen die deutschen Männer nur noch in Uniform, an wenigen Tagen mit Waffe. Wir waren alle überrascht, denn im Radio war nichts zu hören gewesen, dass die Invasion gestartet hatte. Nach einigen Tagen waren sie wieder in zivil.«
    Der Schein wird gewahrt, aber unter Hochdruck löst Daimler den Reparaturbetrieb in Antwerpen auf. Die Bestandteile des Werks, die seit der Angriffe auf Antwerpen verteilt über die Stadt und den Flughafen Deurne lagen, werden verpackt und auf Güterzüge und Lkws verladen und nach Verviers, das Zentrum für Textilindustrie in der Provinz Lüttich, gebracht. Renée kommentierte das in ihrer pragmatischen Art: »Der Betrieb wurde aufgeteilt: Ein Teil kam nach Verviers and Köln, ein anderer nach Frankfurt. I had to join them.«
    Zur gleichen Zeit, nur wenige Tage nach Beginn der Invasion, startete die deutsche Luftwaffe mit ihrer »Vergeltung«. Im Raum Antwerpen wurden Abschussanlagen für die düsengetriebenen Flugbomben V1 aufgestellt. Zunächst wurden mit der V1 verstreute militärische Ziele in Nordfrankreich und Belgien angegriffen. Propagandaminister Goebbels wollte bereits einen Freudentaumel in der deutschen Bevölkerung registriert haben, die unter den Angriffen alliierter Bomberflotten schwer zu leiden hatte und die Vergeltung mit der »Wunderwaffe« nur als gerecht ansah. Die V1 erwies sich unterdessen eher als lahme Ente. Längst nicht die angepeilten 10   000 Bomben erreichten ihr Ziel, London, ein großer Teil fiel wegen technischer Mängel aus, eine große Zahl wurde von der britischen Abwehr abgeschossen. Und wegen des schnellen alliierten Vormarsches konnten die Abschussanlagen bei Antwerpen nur kurz benutzt werden.
    Auf der anderen Seite verstärkten die Alliierten ihre Luftangriffe auf deutsche Städte. Bevorzugte Ziele waren das Saarland, die Großstädte Hamburg und Berlin, das Ruhrgebiet, Köln und die Industrielandschaft um Leipzig, wo Renées Vater eingesetzt war.
    Zur gleichen Zeit begann die Sommer-Offensive der Sowjetischen Armee im

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