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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Seidert
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musste man zur Kommandantur. Und dann wurden wir angeschrieben, um nach Deutschland zum Arbeiten zu gehen.« Renée war in das Alter gekommen, ab dem sie unter die allgemeine Zwangsarbeitsverpflichtung im Reich fiel. 1944 hatte sich der Kriegsverlauf für die Deutschen längst zum Negativen verändert, Stalingrad ein gutes Jahr zuvor war ein Desaster, von Westen her drohte die Invasion der Briten und Amerikaner, und die Nervosität bei den Nazis nahm zu. Die Strategie des »Blitzkriegs« hatte sich überholt, nun sollte es der »totale« Abnutzungskrieg richten. Und der ließ sich nur mit Hilfe einer brutalen Arbeitskräftepolitik verwirklichen.
    Im Mai 1939 waren rund 4400 Belgier in Deutschland, im September 1941 bereits 121   500. Im Jahr 1942 wurde die allgemeine Arbeitspflicht eingeführt und schließlich ganze Jahrgänge eingezogen. Trotzdem konnten die Forderungen der deutschen Stellen und die Nachfragen der Rüstungswirtschaft im Reich nicht annähernd erfüllt werden. Im ersten Quartal 1943 wurden aus Belgien 111   000 Arbeitskräfte angefordert, doch lediglich etwa die Hälfte, nur 59   000 kamen an den deutschen Arbeitsstellen an.
    1944 soll Renée im September 21 Jahre alt werden, Ady wird 31, beide sind nicht verheiratet. Die beiden Frauen haben zwar feste Stellen bei Daimler-Benz in Antwerpen, aber schützte der Arbeitsplatz sie wirklich vor der Verschickung ins Reich?
    Die Ausländer sollten die deutsche Wirtschaft und vor allem die an allen Fronten permanent sich selbst verbrauchende Rüstungsproduktion aufrechterhalten. Der Krieg fraß die deutschen Männer, und alle im Reich verlangten immer mehr Arbeitssklaven. Noch der kleinste Bauer, jeder Betrieb, vom Handwerker bis zur Reichsbahn, konnte ausländische Arbeitskräfte anfordern; die privaten Haushalte, in denen die billigen russischen Dienstmädchen schufteten, genauso wie die großen Rüstungsbetriebe, die auf Kosten Tausender ausländischer Arbeitskräfte Gewinn machten, den sie dann so erfolgreich in die Nachkriegsjahre retteten. Etwa 9,5 Millionen, andere Quellen nennen 13,5 Millionen, ausländische Zivilarbeiter, Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge arbeiteten während des Zweiten Weltkrieges im Deutschen Reich.
    In welchem Umfang und mit welcher Rücksichtslosigkeit dies geschah, mögen manche Deutsche nur geahnt haben. Gänzlich verborgen geblieben ist es ihnen nicht – arbeiteten doch genügend in den Betrieben mit Ausländern zusammen, waren ihre Vorgesetzten, ihre Meister oder Kollegen und Kolleginnen.
    Im Frühsommer 1944 wurde den belgischen Angestellten und Mitarbeitern des Front-Reparaturbetriebs eröffnet, dass Daimler-Benz Antwerpen verlassen werde. Der Betrieb werde verlagert nach Deutschland. Damit war offensichtlich, dass Renée und Ady und all die anderen um Zwangsarbeit im Reich nicht herumkommen würden.
    Wenig später wurde einigen Belgiern angeboten, dass sie mit Daimler ins Reich gehen könnten. »Ich musste mich beim ›big chief‹ melden und er versprach mir, würde ich bei Daimler bleiben, würden sie immer auf mich aufpassen – was sie auch taten.« So wie Renée erging es auch Ady. Renée entschied sich ziemlich bald für Daimler, sie nahm die Entscheidung sportlich. Ins Reich zu gehen, bedeutete für sie auch, herauszukommen von zuhause, etwas Neues zu erleben.
    Auch Ady wird zum Chef bestellt, auch ihr wird das Angebot gemacht, wenn sie mit nach Deutschland komme, werde man auf sie aufpassen. Ady kann sich nicht gleich entscheiden und bittet um Bedenkzeit bis zum nächsten Tag. Sie ist entsetzt, will ihre Mutter nicht verlassen, Antwerpen nicht und auch ihre Freunde nicht. Kaum getraut sie sich, am Abend Maria davon zu berichten.
    Doch Maria geht die Sache pragmatisch an. So schwer es für siebeide werde, ist es bestimmt besser, mit Daimler mitzugehen. Andere ihrer Kolleginnen werden vermutlich dasselbe machen, so wäre sie zumindest nicht allein.
    Es gibt keine gute Alternative. In Antwerpen wird Ady nicht bleiben können, geht sie nicht mit Daimler mit, wird sie über kurz oder lang allein irgendwohin ins Reich geschickt werden. Und dann ist alles möglich, Berichte von anderen »Deutschlandfahrern« verhießen nichts Gutes.
    Und schließlich wird dieser Jupp, der Deutsche, doch sicherlich auch mitgehen. Vielleicht kann er sich für Ady verwenden, wenn es mal hart auf hart kommen sollte.
    Arbeitsbuch von Renée mit dem Vermerk: »Der Paß oder das Grenzlegitimationspapier des Ausländers ist ausgestellt von

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