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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Seidert
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Adys Bestätigung genannten ELBAG um den im Jahr 1943 vollzogenen wirtschaftlichen Zusammenschluss der »Deutschen Luftfahrt- und Handels-AG«, Delhag, mit der »Gesellschaft für Luftfahrtbedarf mbH Berlin« zur Luftfahrtbedarfs-AG, ELBAG. Die Flugmotoren von Daimler-Benz mögen als »Luftfahrtbedarf« noch durchgehen – aber die Granaten aus dem Goetzewerk?
    Wieder funktioniert die Gemeinschaft der Daimler-Leute. Viele Flüchtlinge haben ihr Vieh dabei, die Crew von Daimler-Benz kaufte Schweine und Kühe, ein paar Mitarbeiter waren in ihrem früheren Leben in Friedenszeiten Metzger gewesen, sie schlachteten die Tiere und »wir bekamen alle Essen für unterwegs«, schrieb mir Renée in einem ihrer Briefe. »Und von Daimler bekamen wir Marken für Brot und Milch.«
    Ady geht vom Büro in die Adolf-Hitler-Straße zur Wohnung von Renée, holt ihr Gepäck und eilt mit den anderen zum Zug. »Wir mussten zum Bahnhof gehen, mit wenig Gepäck. Dort waren Viehwaggons mit Stroh am Boden und einem kleinen schwarzen Ofen in der Mitte. Unser Zug war der letzte, der fuhr, danach war es nicht mehr möglich.«
    Auch der Zeitzeuge aus Neusalz, Richard Striegan, spricht in seinem Zeitungsbericht vom letzten Eisenbahnzug, der am 11. Februar Neusalz mit Flüchtlingen verließ. Allerdings erwähnt er, dass der Zug »vom Anschlussgleis des Krausewerks in Richtung Grünberg abfuhr, denn die Weichen und der Wasserturm am Bahnhof waren bereits gesprengt worden«.
    Ady hat sich am Morgen bereits von Jupp verabschiedet. Er muss raus zu den Depots, die Lkws sind noch nicht fertig beladen, aber er soll auch am gleichen Tag noch losfahren.
    Es ist höchste Zeit. Am Abend des 11. Februar dringen die ersten Soldaten der Roten Armee in einzelne Stadtviertel vor. Am Tag darauf wird die Stadt eingenommen. Der Kirchturm gerät in Brand. Es fehlen Männer zum Löschen und Wasser. Häuser und Privatwohnungen werden durchsucht. Verschiedene Gebäude in der Stadt brennen nieder. Ein anonymer Zeitzeuge vermutet, die Brände seien nicht durch Beschuss entstanden, sondern durch Brandstiftung oder Unvorsichtigkeit der plündernden Truppen. Die Sowjetsoldaten befreien die zurückgelassenen Zwangsarbeiter und Kriegsgefangenen.
    Ady notierte auf ihrer Routenliste, die bereits über ihre Hinfahrt nach Neusalz Auskunft gegeben hatte, auch die Städte, durch die sie nun kamen. Der erste Ortsname war Grünberg. Etliche weitere sollten ihm folgen.

Geh nicht weg!
    »Einige von uns wurden in einen überfüllten Güterzug nach Cottbus gesteckt, the others, also Jupp, came by lorries and had to pass two times the front!«, schrieb mir Renée über ihren fluchtartigen Abzug aus Neusalz. In Abständen hielt der Zug auf freier Strecke. Es herrschten chaotische Zustände. An jeder Station standen Tausende, die den Zug stürmen wollten. Zweimal querten sie die Frontlinie, »wir mussten uns auf den Boden legen und der Zug fuhr so schnell, wie er konnte. Wir hörten Geschütze, aber ich glaube nicht, dass jemand verwundet wurde. Auch die mit den Lkws fuhren, machten die Erfahrung.«
    Von Grünberg ging es weiter nach Cottbus. »In Cottbus mussten wir den Zug verlassen, es ging nicht weiter. Wir mussten etwas finden für die Nacht. Ady setzte ich hin am Bahnhof mit dem Gepäck und sagte, ›ich suche etwas‹. Und sagte zu ihr: ›Geh nicht weg! Beweg dich nicht hier weg!‹« Renée schilderte mir ihre Abreise, ihre Flucht, den Abzug – was war es denn? Militärisch gesehen war es ein Rückzug; aber war er geordnet? Die Daimler-Mitarbeiter waren zusammen, zumindest waren sie in kleineren Gruppen zusammen, und für sie waren immer wieder Plätze in Zügen organisiert.
    Renée saß an ihrem Esstisch in Antwerpen vorne auf der Stuhlkante und begann zu erzählen, wieder ging es hin und her zwischen deutsch, niederländisch, französisch und englisch. »›Nein‹, versicherte Ady, ›ich bleibe.‹ ›Auch, wenn du jemanden triffst‹, sagte ich, ›der sagt, ich weiß etwas zum Übernachten, du musst warten, bis ich wieder zurück bin. Don’t move!‹« Renée haben der Abzug aus Neusalz und die anschließende Odyssee durch Deutschland nachhaltig beeindruckt. Wenig aus der damaligen Zeit hat sie so detailreich in Erinnerung behalten, so anschaulich geschildert. Diese Odyssee war ein großes Abenteuer im Leben dieser 22 Jahre jungen Frau, und zugleich hat es aller Energie und verfügbaren Kräfte in dieser so positiven und durchhaltewilligen Person bedurft, die Ungewissheit

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