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Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich

Titel: Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Seidert
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Zeit war es minus 18 Grad kalt«, erinnert sich Renée. »Ich hatte Hosen und einen Mantel aus Wolle, grau, aber fast schwarz. Einer von Daimler, der eigentlich Schneider war, hatte mir die Hosen und den Mantel gemacht.«
    Ein Betrieb nach dem anderen macht Schluss, nicht zuletzt die Goetzewerke. Im Januar bricht in der Stadt Panik aus, alle wollen weg, im Februar fallen die ersten Bomben.
    »In der dritten Januarwoche mussten wir alle zusammen in ein Haus ziehen, nah beim Bahnhof«, schilderte Renée die Situation. »Ich lebte am nächsten zum Bahnhof, also kamen alle zu mir in die Adolf-Hitler-Straße 10. Dort beobachteten wir aus dem Fenster einen langen Zug russischer Gefangener zu Fuß, alle vom asiatischen Typ.« Französische Zwangsarbeiter aus einer der Munitionsfabriken besorgen sich Kleidung von Kriegsgefangenen, plündern Frachtkähne im Hafen und schlagen sich auf die russische Seite.
    Am 29. Januar wird das KZ-Außenlager bei den Gruschwitz-Werken geräumt. Etwa 900 Frauen machen sich auf einen der grausamen Todesmärsche, die vielen KZ-Häftlingen in den letzten Kriegswochen bevorstanden. Erst Anfang März erreichen 869 von ihnen das Konzentrationslager Flossenbürg, von wo etwa die Hälfte nach Bergen-Belsen gebracht wurde. 235 Frauen kamen mit Hilfe des schwedischen Roten Kreuzes nach der Befreiung zur Rehabilitation nach Schweden.
    Während Neusalz und ganz Schlesien in Auflösung begriffen sind, kreuzen sich besorgte Briefe von Netje und Maria auf dem Weg zwischen Schweden und Antwerpen.
    4. 2. 1945
    Dear sister in law.
    Just a few lines to let you know we are still in best of health boht (both) me and Netje only hopin it soon will be finished so we can get home and settle down again.
    Netje had a letter from Ady so I’m sending it to you now she must have a very hard life. I finish my scribblin now. With all the best regards from your sister and brother in law,
    Charley
    Send me a line. Best regards to all.
    Es ist ein kleiner DIN-A6-Zettel, mit Füller beschrieben. Im Kopf wurde der Ort mit einer Schere herausgeschnitten. Warum, bleibt ein Rätsel.
    Beschäftigungsbescheinigung von der ELBAG in Neusalz, ausgestellt an Adys letztem Tag in Neusalz, am 11. Februar 1945.

Auf der Rückseite der Elbag-Bestätigung sind Dinge aus einer anderen Welt notiert: französische, niederländische und englische Vokabeln, Teile eines Einkaufszettels und der kurze Brief von Jupp: Liebe Ady! Ich bin nach Winsheim (Windsheim), komme heute Abend zurück. Viele Grüße und Küsse, Jupp
    Am 9. Februar sprengen Pioniere die Brücke über die Oder. Eine Quelle spricht davon, die Rote Armee habe die Brücke gesprengt, doch ist es angesichts der Lage der Stadt mit diesem einzigen Oderübergang wahrscheinlicher, dass der Volkssturm, im verzweifelten Versuch, die sowjetische Armee aufzuhalten, die Brücke sprengte.
    Am nächsten Tag steht die Rote Armee auf der gegenüberliegenden Oderseite.
    Wenn die Luftlage es erlaubte, verkehrten noch wenige Personenzüge. Um Breslau herum war der Betrieb von D- und E-Zügen bereits am 24. Januar von der Deutschen Reichsbahn eingestelltworden. Nun wird es eng, aus der Richtung von Freystadt ist Artilleriefeuer zu hören.
    Am 11. Februar wird Ady im Büro eine Bescheinigung ausgehändigt, die ihr bestätigt, »dass das flämische Gfm. Adrianne Van den Eynde, geboren am 24. 6. 1913 zu Antwerpen, in unserem Betriebe Luftfahrt-Bedarf A. G. Berlin, Lager ELBAG 391 Neusalz/O. beschäftigt ist«. Ein Versuch, das belgische Fräulein zu schützen, sie ist in diesem Betrieb beschäftigt, also nicht vogelfrei. Alles war in Auflösung, jeder würde in den nächsten Tagen und Wochen versuchen, seine Haut zu retten.
    Etwas allerdings ist merkwürdig. Ady arbeitete während der letzten Monate im Goetzewerk. Dieser Name taucht allerdings nicht auf, sondern als Arbeitgeber wird hier »Lager ELBAG 391« genannt. Was verbarg sich hinter »ELBAG«, wer war die Luftfahrt-Bedarf A. G. Berlin? Weder in Renées Berichten noch in Adys sonstigen Papieren kam ELBAG bisher vor. Eine Spur fand sich schließlich im Bundesarchiv. Nach der Machtergreifung 1933 hatten die Nationalsozialisten, wegen der Bestimmungen des Versailler Vertrages zunächst noch im Geheimen, mit dem Aufbau einer neuen Deutschen Luftwaffe begonnen. Eine zivil auftretende Tarnorganisation dieses Unternehmens war die »Deutsche Luftverkehrs und Handels-AG Berlin«, abgekürzt Delhag. Laut Unterlagen des Bundesarchivs handelte es sich bei der in

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