Die Frau aus Flandern - eine Liebe im Dritten Reich
große Stadt, das ist vorbei. Die anderen Deutschen haben gesagt, wir laufen uns hier ein bisschen warm. Wir sind mit den Decken über den Schultern also gelaufen. Und plötzlich sagt einer, was hör ich jetzt, was für ein Gebrumm? Wir hörten ein befremdliches Geräusch, das lauter wurde. Einer rief, das ist wahrscheinlich eine Gruppe von Flugzeugen und plötzlich sahen wir so etwas wieChristbäume. Es war ein Angriff auf Dresden. Wunderschön anzusehen – für die Menschen in der Stadt war es die Hölle.«
Meine Familie kommt aus Dresden, ich bin in Dresden geboren – und dort hatten diese belgischen Frauen das Ereignis beobachtet, das über allen Dresdner Familien liegt wie ein dunkler Schatten.
Am 11. oder 12. Februar waren Ady und die anderen aus Neusalz abgefahren, in der Nacht vom 13. auf den 14. Februar fanden die schweren Angriffe auf Dresden statt. Am 14. folgte tagsüber die Flächenbombardierung durch 311 amerikanische Bomber. Am 15. Februar erfolgte ein weiterer Angriff auf die bereits vollständig zerstörte und mit schlesischen Flüchtlingen überfüllte Stadt. Die genaue Zahl der Opfer ist nicht rekonstruierbar, in der Stadt hielten sich Tausende von Flüchtlingen auf. Es waren bis zu 50 000 Menschen, die ihr Leben verloren.
Es war Faschingszeit, doch niemand dachte an rote Nasen. Dresden starb am Faschingsdienstag. Berthold war Renées Chef bereits in Antwerpen gewesen und er war es, der ihr damals versprochen hatte, wenn sie mit Daimler ginge, würden sie auf sie aufpassen. Und Renée sagte, »das haben sie getan«.
»Dann ist Berthold, wie wir in Illesheim waren, wieder nach Dresden gegangen und alles war kaputt. Auch seine Familie, da war nur ein Überlebender, aber schwer verletzt. Berthold ist später noch mal in Antwerpen gewesen. Da habe ich ihn nicht gesehen, aber der Mann von meiner Freundin, er sagte: ›du kannst nicht raten, wen ich heute gesehen habe!‹ Ich fragte: ›ist es ein Belgier oder was?‹ ›Nein, er ist ein Deutscher. Ein guter Mensch.‹ Und da sagten meine Freundin und ich zusammen: ›Berthold?‹ Er war ein schicker Mensch. Er war für die Rentabilität zuständig. Er war immer mein Chef gewesen.«
Hinter Dresden geht es ein Stück auf der Reichsautobahn weiter, über Chemnitz, Richtung Hof. Renée hatte kaum Aussicht nach vorne, die war versperrt von dem Lkw, der ihren VW zog. Ady konnte in Jupps Laster mitfahren, vorne im Führerhaus, den Sitz teilend mit dem Beifahrer. Draußen zog Deutschland an ihr vorbei, die weiß verschneiten Hügel hinter Plauen, leere Felder, Schneewälder, die Straßen voller Militärfahrzeuge und Flüchtlinge. Über Hof und Bayreuth ging es hinein nach Franken.
Raus aus der Baracke
Vom großdeutschen Traum war nicht mehr viel übrig, das Reich war zusammengeschmolzen.
In Franken kommt mir Ady noch einmal ganz nah. Der Daimler-Tross umfuhr Nürnberg und hielt erst wieder in Illesheim, mitten im Fränkischen. Es ist eine milde Landschaft, auch im Winter, eine kleinteilige Gegend: Felder, Waldstücke, Hecken, aus den Senken zwischen den Hügelkuppen spitzen Kirchtürme hervor. Dort, bei Bad Windsheim, drehte ich vor vielen Jahren einen Dokumentarfilm fürs Bayerische Fernsehen über ein lang überkommenes Ritual. Alle zehn Jahre verlosen die Bauern aus vier Dörfern ihre Äcker untereinander neu. Den Ursprung für diese gemeinsame Form des Landbesitzes soll der Legende nach eine Prinzessin gelegt haben, die sich auf dem bewaldeten Hügel Osing verlaufen hat. Erst durch die Glocken der umliegenden vier Dörfer konnte sie den Weg zurückfinden und soll aus Dankbarkeit ihr Land den Bauern vermacht haben.
»Arriving in the region of Ansbach we stayed in Barracks some weeks. The village was Illesheim, wieder in Baracken, nahe bei einem Kriegsflugplatz, wo wir unser warmes Essen bekamen. Aber wenn Alarm war, war er geschlossen, also waren wir jeden Tag hungrig. Ady was also there and also Jupp. But after some days Jupp found a room in the little town.« Ady zog mit Jupp in das Zimmer, Renée blieb zurück in der Baracke.
»Das war eine ziemlich große Baracke. Da war auch eine französische Familie dabei, eine normannische Familie. Es gab einen großen Ofen für die Heizung. Wir hatten wieder so Abteile gemacht mit Decken. Auch der Franzose für seine Familie, aber wenn wir uns wuschen, da kam er immer gucken.
Wir hatten nur eine Zinkwanne, nicht allzu groß, die wir nahmen zum Kochen für Kartoffeln, Eier und auch zum Waschen.
Mit
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