Die Frau des Diplomaten (German Edition)
praktisch denken, ich muss tun, was für die Kinder das Beste ist.“
Ich folge ihrem Blick zu den Jungen und muss an Rachel denken. Ich nahm die Arbeitsstelle bei Simon an, als ich bereits vermutete, schwanger zu sein. Trotz dieser Tatsache oder vielleicht gerade deshalb ließ ich ihn um mich werben. Hätte ich Simon auch geheiratet, wenn Rachel nicht unterwegs gewesen wäre? Seit Jahren versuche ich, dieser Frage aus dem Weg zu gehen.
Plötzlich erinnere ich mich an meinen Streit mit Emma kurz nach dem Bombenattentat, als wir uns auf der Straße begegneten. Wie sie sich mit diesem Deutschen abgeben könne, wollte ich von ihr wissen, wenn sie doch behauptete, Jakub zu lieben? Sie flehte mich an zu begreifen, dass sie nur tat, was sie tun musste. Zu der Zeit konnte sie mich nicht überzeugen. Wenn Emma Jakub liebte, würde sie nicht mit dem Kommandanten schlafen, fand ich. Damals, als ich nur die Liebe kannte, die ich für Jakub empfand, waren die Dinge so viel einfacher. Heute weiß ich, dass die Realität komplizierter ist. Ich habe einmal über Emma geurteilt, ich werde es kein zweites Mal machen.
„Ich verstehe dich“, sage ich schließlich und drücke Emmas Hand. Mit einem Mal sind wir wieder die zwei jungen Mädchen, die einander Geheimnisse anvertrauen.
Sie sieht mich an. „Wirklich?“
Als ich ihren erleichterten Tonfall höre, nicke ich. „Ja. Ich habe jetzt auch ein Kind.“
„Oh, Marta, das ist wundervoll. Junge oder Mädchen?“
„Ein Mädchen. Rachel. Sie ist jetzt eineinhalb.“
„Und was machst du dann hier? Marek sagte, dass du in London lebst.“
„Ich versuche so schnell wie möglich zu meiner Tochter zurückzukehren. Aber ich musste herkommen. Weißt du, ich arbeite für das britische Außenministerium, so wie mein Mann. Wir müssen unbedingt mit Jan Marcelitis Kontakt aufnehmen. Als man herausfand, dass das nur über Marek geht und dass ich ihn kenne, da bat man mich, diesen Auftrag zu übernehmen. Ich hatte das Gefühl, gar keine andere Wahl zu haben. Kannst du das verstehen?“
„Ja, das kann ich. Aber du solltest erledigen, wofür du hergekommen bist, und dann schnellstens verschwinden. Die politische Situation ist sehr kritisch. Jeden Moment könnte es …“ Emma verstummt, ihre Miene nimmt einen ängstlichen Ausdruck an. „Jedenfalls hat mich Marek hergeschickt, um dir zu sagen, dass er ein Treffen mit Marcelitis arrangiert hat. Du sollst heute um Mitternacht zur Karlsbrücke kommen, allein.“
Mein Herz macht einen Satz. Marek hat ein Treffen vereinbart! Ich werde Marcelitis treffen, und dann kann ich nach Hause fahren. Ich sehe Emma an. „Was ist mit dir?“, frage ich. „Werde ich dich wiedersehen?“
Sie zögert. „Wenn du wissen willst, ob ich heute Nacht zu eurem Treffen komme, dann muss ich dich enttäuschen. Und danach wirst du zurück nach England gehen, und Gott allein weiß, was uns hier erwartet. Ich hätte niemals gedacht, dich noch einmal zu sehen. Daher nehme ich an, dass das jetzt unser Abschied sein wird.“ Eine Träne läuft ihr über die Wange. „Ich möchte dir noch einmal für das danken, was du in Kraków für mich getan hast.“
Ich lege einen Arm um ihre Schulter. „Du weißt, dass du nicht hierbleiben musst, nicht wahr? Ich könnte Papiere für dich und die Kinder beschaffen.“
Emma wischt sich über die Augen. „Danke, aber das geht nicht. Hier ist jetzt unser Zuhause. Ich bin mit Marek verheiratet, und ich habe ein Ehegelübde abgelegt, das ich nicht noch einmal brechen werde.“
Als ich den schuldbewussten Blick sehe, weiß ich, dass sie von ihrem Verrat an Jakub spricht. „Es ist nicht deine Schuld, dass Jakub nicht mehr lebt, Emma.“
„Das sage ich mir jeden Tag“, entgegnet sie leise. „Aber es ändert nichts an dem, was geschehen ist und was ich getan habe. Prag ist jetzt mein Zuhause, Marta. Hier gehöre ich hin.“ Sie steht auf. „ Łukasz, Jakob!“, ruft sie den Jungen zu. Łukasz nimmt den Kleinen bei der Hand und zieht ihn hinter sich her. Emma dreht sich wieder zu mir um. „Ich muss jetzt gehen.“
Ich erhebe mich ebenfalls, dann schließt mich Emma in ihre Arme. „Leb wohl, Marta.“ Ich will noch etwas erwidern, aber sie hat sich bereits weggedreht und geht mit den Kindern davon.
Eine Stunde später kehre ich in mein Hotelzimmer zurück. Ich schließe die Tür hinter mir, durchquere den Raum und lasse mich aufs Bett sinken, das aus Protest knarrt. Es ist noch keine zwei Uhr am Nachmittag, also mehr als zehn
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