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Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Titel: Die Frau des Diplomaten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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ist, „das ist Jakob.“
    Jakob. Ich sehe den Jungen an, während meine Gedanken in die Vergangenheit abschweifen. Emmas Schwangerschaft war der Grund, warum wir sie so schnell aus Kraków wegbringen mussten. Kommandant Richwalder wollte sie nach Österreich schicken, damit sein Kind dort in Sicherheit aufwachsen konnte. Sein Kind. Das war die Frage, die niemand laut auszusprechen gewagt hatte. War Jakub der Vater von Emmas Kind? Oder war ihre Schwangerschaft eine Folge der Affäre mit dem Kommandanten? Wenn ich jetzt den Jungen ansehe, dann gibt es keinen Zweifel mehr. Seine stahlgrauen Augen sind denen zum Verwechseln ähnlich, die mich in jener Nacht auf der Brücke anstarrten.
    „Jakob“, wiederhole ich laut. Wenigstens hat der Junge Jakubs Namen. Dann auf einmal stutze ich, und mir stockt der Atem. Unter Juden ist es üblich, Kindern den Namen von Verstorbenen zu geben. „Nach Jakub …?“
    „Er hat es nicht geschafft, Marta“, sagt Emma mit tonloser Stimme.
    Ein Stich geht mir durchs Herz. „Nein …“
    „Als ich Kowalczyks Bauernhof erreichte, da wartete Jakub dort auf uns, so wie du es gesagt hast.“ Ich kann kaum ein Wort hören, so laut ist das Rauschen in meinen Ohren. Plötzlich möchte ich Emma packen und schütteln, damit sie aufhört zu reden. „Er war entsetzlich geschwächt, aber wir mussten sofort aufbrechen, weil die Deutschen ja nach mir suchen würden. Der Schnee in den Bergen hat ihm schlimm zugesetzt. Jakub bekam hohes Fieber und brach zusammen, kurz nachdem wir die Grenze überquert hatten.“
    Ich muss mich davon abhalten, laut zu schreien. „Jakub“, flüstere ich stattdessen, während ich sein Gesicht vor mir sehe.
    „Ich blieb bei ihm, Marta.“ Ich kann aus Emmas Stimme heraushören, wie schuldig sie sich fühlt und wie verzweifelt sie mir alles erklären will. „Ich blieb bei ihm bis zum Schluss. Bis er tot war.“
    „Und dann?“, bringe ich heraus.
    „Ich habe ihn mit Steinen und Ästen bedeckt, so gut es eben ging. Der Boden war gefroren, und es war das Einzige, was ich tun konnte. Ich wollte ihn dort nicht zurücklassen, doch was sollte ich denn tun? Ich war nicht in der Lage, ihn zu tragen, und bei ihm bleiben konnten wir auch nicht. Wir hatten nichts mehr zu essen. Łukasz wäre dort gestorben, und Jakob in meinem Bauch ebenfalls.“ Das Kind . Abscheu erwacht in mir. Wäre Emma nicht schwanger geworden, hätte sie nicht aus Kraków fliehen müssen, und Jakub würde noch leben. Emma redet weiter: „Es war das, was du mir auf der Brücke gesagt hast, Marta. Wer sich retten kann, der muss es auch tun.“ In meiner Erinnerung höre ich, wie ich darauf bestand, dass sie geht und mich zurücklässt. Wären die Dinge anders gekommen, wenn ich mich stattdessen selbst in Sicherheit gebracht hätte? Hätte ich Jakub retten können? „In der Slowakei kamen mir Gerüchte zu Ohren, dass die Überlebenden des Widerstands nach Prag gegangen sind. Ich kam her und fand Marek.“
    Emma ist hier, Jakub ist tot. Ich schlucke und versuche, das alles zu begreifen. „Gibt es noch andere, die es bis hierher geschafft haben?“
    Sie schüttelt den Kopf. „Niemand aus Kraków. Aus Lodz und Lublin kamen ein paar her, auch aus anderen Ländern. Viele Leute wie Marek und ich, die gegen die Deutschen gekämpft haben, kämpfen jetzt gegen die Kommunisten.“
    „Und du hilfst Marek bei seiner Arbeit?“
    „Ja, aber …“ Sie lässt den Blick über den Park schweifen. „Da ist noch etwas, was du wissen solltest. Ich helfe Marek nicht nur bei seiner Arbeit.“ Nach kurzem Zögern hebt sie die Hand und zeigt mir einen schmalen goldenen Ring. „Er ist auch mein Ehemann.“ Ich lasse mich gegen die Rückenlehne sinken. Mir ist, als hätte mir jemand einen Tritt in die Magengrube verpasst. „Marta, sag etwas“, bittet sie mich.
    „Ehemann?“, wiederhole ich ungläubig.
    „Es kam nicht sofort dazu“, verteidigt sie sich. „Aber als ich nach Prag kam, war ich völlig auf mich allein gestellt, und ich besaß nichts mehr. Marek nahm uns bei sich auf und sorgte für mich und die Kinder. Wir kamen uns näher, und schließlich machte er mir einen Antrag.“
    Ich sitze da und versuche, das alles zu verstehen. In einiger Entfernung krächzt eine Krähe. „Liebst du ihn?“, frage ich schließlich.
    „Ich weiß längst nicht mehr, was Liebe ist“, antwortet sie ruhig.
    „Aber Jakub …“
    „Jakub ist tot, Marta.“ Ihr Gesichtsausdruck weist eine ungewohnte Härte auf. „Ich muss

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