Die Frau des Diplomaten (German Edition)
leid.“
Mit tränenerstickter Stimme spricht sie weiter: „Ich dachte mir, dass seine Verhaftung etwas mit deinem Treffen mit Marcelitis zu tun haben könnte. Es lag einfach zu dicht beieinander, als dass es ein Zufall hätte sein können. Ich wusste auch, dass Marek dem Druck nicht standhalten würde, wenn sie ihn verhörten. Er würde Ort und Zeitpunkt des Treffens verraten. Er ist ein guter Mann, Marta! Aber er ist nicht so stark wie Alek und Jakub. Oder du. Marcelitis wäre in die Falle gelaufen, also nutzte ich meine Kanäle, um ihn zu warnen. Dich wollte ich ebenfalls warnen, aber ich konnte das Haus nicht verlassen. Die Polizei wartete die ganze Zeit vor der Tür, sie hatten gedroht, den Kindern etwas anzutun, sollte ich irgendwelche Schwierigkeiten machen. Ich schlich mich aus dem Haus, sobald es dunkel war, aber als ich hier eintraf, warst du bereits weg.“
„Woher wusstest du, in welchem Hotel ich wohne?“, frage ich.
„Marek erwähnte es, nachdem er dir in der Bar begegnet war.“
„Verstehe.“ Dann hat Emma mich also nicht verraten. Die Polizei muss Marek zum Reden gebracht und so von dem Treffen erfahren haben. Aber warum haben sie jemanden zur Brücke geschickt, der sich für Marcelitis ausgab? Man hätte mich doch einfach verhaften können und wäre ohne Mühe an die Informationen gelangt! Und wer hat Renata ermordet? Das Ganze ergibt noch immer keinen Sinn. Ich ziehe den Mantel aus und setze mich auf die Bettkante. „Wie bist du hier reingekommen?“
Emma weicht meinem Blick aus. „Ich habe nicht alles vergessen, was ich während des Krieges gelernt habe.“ Ich erinnere mich, dass sie hinter dem Rücken von Kommandant Richwalder in dessen Privaträumen wichtige Dokumente entwendet hat. Heute Abend setzt sie erneut alles aufs Spiel. Sie war schon immer stärker, als es den Anschein hat. „Was wirst du jetzt machen?“, fragt sie.
Ich denke nach. Wenn Marek mich tatsächlich verraten hat, dann weiß die Polizei auch, warum ich hier bin. „Ich muss Prag verlassen.“
Emma nickt. „Ich kann dir den schnellsten Weg zur britischen Botschaft zeigen. Ich weiß, es ist mitten in der Nacht, aber wenn wir den Wachleuten erklären …“
„Ich gehe nicht zur Botschaft“, unterbreche ich sie entschieden. „Ich muss zu Marcelitis.“
Sie legt verdutzt den Kopf schräg. „Wie willst du das anstellen? Nachdem er von Mareks Verhaftung erfahren hat, wird er ganz bestimmt die Flucht angetreten haben. Er wollte nach dem Treffen mit dir sowieso das Land verlassen. Nach der Machtübernahme ist es hier zu gefährlich geworden.“
„Er wollte das Land verlassen? Wohin wollte er?“
„Mein Kontaktmann hat nichts Konkretes gesagt, aber ich glaube, dass er Berlin meinte. Marcelitis hat dort eine Wohnung.“
„Hast du seine Adresse? Oder weißt du, mit wem ich in Berlin Kontakt aufnehmen kann?“
Emma schüttelt den Kopf. „Nein, leider nicht. Aber Marek ist im letzten Winter einmal dort gewesen, um sich mit Marcelitis zu treffen. Er sagte, er wohne direkt gegenüber einer bekannten Synagoge, über einer Buchhandlung. Ich glaube, er sprach von der Oranienburger Straße. Ich erinnere mich so gut daran, weil Marek sich wunderte, dass jemand wie Marcelitis mitten in der Stadt lebt. Ich sagte ihm, dass der Widerstand in Kraków es nicht anders gemacht hat. Wir trafen uns auch immer in den Cafés direkt am Marktplatz, weil die Deutschen nie auf die Idee gekommen wären, dass wir so dreist sein könnten.“ Ich nicke. „Aber warum fragst du das, Marta? Es ist ja nicht so, als würdest du nach Berlin reisen wollen, um nach ihm zu suchen, oder?“
Ich antworte nicht sofort. Berlin . So lautet mein Auftrag nicht. Der stellvertretende Minister hat mich nur nach Prag geschickt, weil ich Marek kenne. Ich sollte mit den wenigen Informationen über Marcelitis nach England zurückkehren und dem Außenministerium alles berichten, was ich weiß, damit man dann einen anderen bestimmen kann, der für mich übernimmt. Als ich Emma ansehe, bemerke ich ihren erwartungsvollen Blick. Sie würde es verstehen, wenn ich mich jetzt auf den Heimweg machte. Sie ist selbst Mutter. Aber noch während ich das denke, erinnere ich mich an Hans, wie er tot auf den Stufen vor dem Museum lag, und an Renata. Nein, ich kann jetzt nicht aufhören. Wie ich nach Berlin komme, ist genauso unklar wie die Frage, wie ich weiter vorgehen soll, wenn ich es erst einmal dorthin geschafft habe. Aber ich muss es versuchen. „Ich muss
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