Die Frau des Diplomaten (German Edition)
sie. „Hier entlang. Schnell.“
Sie geht vor und duckt sich, um sich hindurchzuzwängen. Ich folge ihr und frage mich, ob der Raum dahinter wohl groß genug ist, um uns allen Platz zu bieten. Kaum habe ich den Durchgang passiert, stockt mir der Atem. Wir sind in einem geräumigen Tunnel mit hoher Decke.
„Das ist einer der Nussen-Tunnel“, erläutert sie. „Die ersten entstanden im Mittelalter, erweitert wurde das Tunnelnetz von Unabhängigkeitskämpfern während des Deutsch-Französischen Krieges. Die Tunnel verbinden verschiedene Punkte in der Stadt. Kommen Sie.“
Jan führt uns schnellen Schrittes durch den Tunnel. Mein Knöchel beginnt zu schmerzen, da ich mit ihrem hohen Tempo mitzuhalten versuche. „Geht es noch?“, fragt mich Paul, als er merkt, dass ich leicht humpele. Ich nicke nur. Ein Stück vor uns kreuzt ein anderer Tunnel unseren Weg, und wortlos biegt Jan nach rechts ab. Dieser Gang weist eine Steigung auf, sodass wir nun bergauf gehen müssen. Kühle Luft weht uns entgegen, und dann haben wir das Ende des Tunnels erreicht. Über uns ist ein Loch in der Decke, durch das wir den Sternenhimmel sehen können.
„Warten Sie“, sagt Jan und greift in ihre Tasche, dann drückt sie mir ein kleines metallenes Objekt in die Hand. „Ich glaube, dafür sind Sie hergekommen.“
Ich halte den Dechiffrierer hoch, einen Zylinder, der nicht größer ist als mein Daumen. Ich danke ihr und stecke ihn in meine Tasche.
„Und die gehören Ihnen“, meldet sich Paul zu Wort und überreicht Jan die Papiere, die er aus dem Versteck in ihrer Wohnung geholt hat. „Wir haben sie mitgenommen, damit die Polizei sie nicht findet, falls die Ihre Wohnung noch gründlicher auf den Kopf stellen will.“ Die Unterlagen hatte ich schon vergessen, aber jetzt wird mir klar, dass Paul sie absichtlich behalten hat, um etwas in der Hand zu haben, falls Jan sich die Sache mit dem Dechiffrierer anders überlegt.
„Danke.“ Sie verstaut die Papiere. „Nachdem Sie also all meine Aufzeichnungen gesehen haben, werde ich wohl mit Ihnen zusammenarbeiten müssen.“ Bevor wir etwas erwidern können, bildet Jan mit den Händen eine Räuberleiter. „Kommen Sie.“
Paul stellt sich zu mir. „Lassen Sie, das machen wir anders.“ Er legt seine starken, warmen Hände um meine Taille, und ehe ich mich versehe, hebt er mich so hoch, dass mein Kopf aus dem Loch in der Decke ragt. Ich halte mich am Rand fest und ziehe mich hoch. Als ich draußen bin und mein Kleid abklopfe, stelle ich fest, dass wir uns in einem Park befinden.
Jan klettert nach draußen. „Alles ruhig?“
Ich nicke, dann zeige ich auf einen Lastwagen, der einige hundert Meter von uns entfernt parkt. „Da ist nur dieser Wagen.“
„Das ist unserer“, meint Jan, während Paul zu uns stößt. „Kommen Sie mit mir.“ Wir laufen zu dem Lastwagen. Jan winkt dem Fahrer zu und dirigiert uns zur Ladefläche, über die eine Plane gespannt ist. „Da hinauf mit Ihnen. Und halten Sie sich vom Rand fern, damit Sie niemand sieht.“
„Kommen Sie nicht mit?“, fragt Paul.
Jan schüttelt den Kopf. „Milo, der Fahrer, ist ein zuverlässiger Mann. Ihm können Sie vertrauen. Er bringt Sie am Hafen an den Kontrollen vorbei und setzt Sie so nah am Schiff ab wie möglich. Danach sind Sie auf sich gestellt.“
„Und Sie? Was haben Sie vor?“, will Paul wissen.
„Ich gehe zurück Richtung Süden.“ Sie tippt auf ihre Tasche. „Um die Informationen zu nutzen, die Sie mir gegeben haben.“
„Sie wollen nach Prag zurück?“, frage ich. „Ist das denn nicht gefährlich?“
„Das wird schon klappen“, versichert sie mir. „Keiner rechnet damit, dass ich so schnell zurückkehre.“
„Jan, da wäre noch etwas. Marek Andeks Frau Emma ist eine gute Freundin von mir, sie lebt mit ihren Kindern noch immer in Prag.“
„Ich werde nach ihr sehen“, verspricht sie mir. „Andek hat alles für uns riskiert. Ich werde dafür sorgen, dass seine Frau alles bekommt, was sie braucht.“
„Ich danke Ihnen.“
„Nein, ich habe Ihnen zu danken. Ich weiß, was Sie beide aufs Spiel gesetzt haben.“ Sie schüttelt Pauls Hand, dann umarmt sie mich. Dabei flüstert sie mir zu: „Lassen Sie ihn nicht noch einmal entwischen.“ Während sie wieder auf Abstand geht, fehlen mir die Worte. „Und jetzt machen Sie, dass Sie von hier verschwinden.“
Paul sieht zu mir. „Bist du bereit?“ Ich nicke, er hilft mir auf die Ladefläche und klettert ebenfalls rauf, dann schlägt er die
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