Die Frau des Diplomaten (German Edition)
Plane um. Ich lege mich der Länge nach hin, Paul tut es mir nach, dann setzt sich der Wagen in Bewegung.
Ich hebe die Plane an, um einen letzten Blick auf die sagenumwobene Jan Marcelitis zu werfen, doch sie ist längst in der Dunkelheit verschwunden. „Sie ist schon etwas Besonderes, nicht wahr?“
„Du bist auch etwas Besonderes“, gibt Paul zurück.
„Ich? Ich bin nichts weiter als die Frau irgendeines Diplomaten“, halte ich dagegen, da ich mich an seine früheren Worte erinnere.
„Marta, es tut mir leid. Ich habe es nicht so gemeint …“
„Ich weiß.“ Ich schaue mich auf der Ladefläche um, auf der nur ein paar Kisten stehen. Neugierig krieche ich zu den Kisten gleich hinter der Fahrerkabine. Dabei fällt mir ein Loch in der Ladefläche auf, durch das man die Fahrbahn sehen kann. „Paul, guck dir das an.“
Auf allen vieren kommt er zu mir. „Vorsicht“, sagt er und legt einen Arm um meine Taille, um mich von dem Loch zurückzuziehen. „Das würde mir noch fehlen, dass du da hindurchfällst.“
Ich drehe mich zu ihm um, unsere Blicke begegnen sich. Sekundenlang schweigen wir beide. „Marta, was geschehen ist …“
„Wir wollen nicht darüber reden“, unterbreche ich ihn.
„Ich verstehe. Aber ich will dir sagen, dass es mir leidtut. Ich hätte dich nicht küssen dürfen.“
„Das hast du ja auch gar nicht. Ich habe dich geküsst, schon vergessen?“ Paul schweigt. „Außerdem habe ich dir schon erklärt, wie froh ich bin, dass es passiert ist.“
„Ich auch“, gesteht er und lehnt sich gegen eine der Kisten. „Aber es ist schwierig, weißt du? Wenn ich daran denke, wie schön es mit uns war …“
„… und dann zu wissen, dass es nie wieder sein kann?“, führe ich den Satz für ihn zu Ende, und er nickt. „Ja, ich weiß.“
Ich lasse mich gegen ihn sinken, er legt einen Arm um mich. „So ist es aber in Ordnung, oder?“ Mit einer Kopfbewegung deutet er auf seinen Arm. „Ich meine, das ist so wie in der Nacht in der Gartenlaube. Ganz unschuldig.“
Ganz unschuldig. Ich schaue auf seinen Arm, dann wieder in sein Gesicht. An unseren Gefühlen ist überhaupt nichts unschuldig. Aber bald werde ich wieder zu Hause sein, und dann ist Pauls Arm nichts weiter als eine verblassende Erinnerung. „Ja, so ist es in Ordnung“, erwidere ich schließlich und drücke seine Hand.
Schweigend sitzen wir eine Weile da, während der Lastwagen über die Straße holpert. „Was meinst du, wie lange wir brauchen, bis wir unser Ziel erreicht haben?“, fragt er irgendwann.
„Eine Weile wird es sicher dauern. Ich wünschte nur, wir hätten das Kartenspiel mitgenommen. Ich hätte dich gern zu einer Revanche herausgefordert.“
„Ja, das ist schade“, pflichtet er mir bei. „Willst du nicht versuchen, ein wenig zu schlafen?“
„Ich bin zwar müde“, gebe ich zu, „aber das ist vermutlich keine gute Idee.“
„Du kannst ruhig schlafen. Ich werde wach bleiben. Ganz ehrlich, ich bin überhaupt nicht müde.“
Ich lasse meinen Kopf auf Pauls Brust sinken und schließe die Augen. Sein Arm drückt mich sanft an sich. Es ist wie in Salzburg, und fast habe ich das Gefühl, dass mir wieder der Terpentingeruch in die Nase steigt und der Regen auf das Dach trommelt.
Irgendwann viel später bremst der Lastwagen, schlaftrunken setze ich mich auf. „Was ist los?“
Paul dreht sich zur Seite, drückt die Plane einen Spaltbreit auseinander und späht nach draußen. „Wir haben den Hafen erreicht!“, flüstert er mir zu. „Aber die Laster vor uns müssen anhalten. Da vorn ist ein Kontrollpunkt.“
Panik erfasst mich. „Und was sollen wir jetzt machen?“
„Vielleicht schauen sie hier ja gar nicht nach.“ Doch er beobachtet weiter, was sich vorn abspielt, und verzieht das Gesicht. „Nein, die sehen sich jeden Wagen an. Wir müssen hier raus.“ Er denkt angestrengt nach. „Das Loch im Boden!“, zischt er mir zu. „Wir müssen uns durch das Loch absetzen.“
„Aber Jan hat gesagt, dass uns Milo bis zum Schiff fährt!“
Paul schüttelt den Kopf. „Das wird ihm jetzt nicht mehr möglich sein.“ Er robbt zu dem Loch. „Du gehst vor. Wenn du draußen bist, kriech bis nach hinten, damit du nicht unter die Räder kommst, und lauf dann zur Seite, wo du dich verstecken kannst. Bleib so geduckt wie möglich, damit dich niemand sieht.“
„Und du?“
„Ich folge dir, sobald du draußen bist“, erwidert er. Sein Gesicht verrät seine Anspannung. „Jetzt mach schon.“
Ich krieche
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