Die Frau des Diplomaten (German Edition)
auch abgelehnt. Er meidet alle Orte, die ihn an mich erinnern. „Ich werde nicht nur in Europa eingesetzt“, redet er weiter. „Zweimal war ich in Nordafrika, und als Nächstes steht eine Reise nach Asien an. Sobald das hier erledigt ist.“
Sobald das hier erledigt ist. Die Erkenntnis trifft mich wie ein Schlag. Das alles hier wird bald ein Ende nehmen. Wenn wir aus Deutschland raus sind, werde ich nach England fliegen, und Paul nimmt seinen nächsten Auftrag an. Dann werden wir uns nie wiedersehen. Ich starre auf meine Karten, ohne sie wirklich zu sehen. „Du bist dran“, sagt er leise. Mir ist gar nicht aufgefallen, dass er eine Karte genommen hat. Mit zitternden Fingern hebe ich eine Karte hoch und lege sie gleich wieder zurück. Erst da wird mir bewusst, dass es sich um die Karo sieben handelt. Zu spät. Diese Karte hätte ich gebrauchen können! Paul nimmt sie und breitet sein Blatt aus. „Gin!“, erklärt er und zeigt mir die Reihenfolge, nach der er seine Karten sortiert hat.
Ich lege meine Karten fort. „Glückwunsch.“
„Du weißt ja, was man sagt: Glück im Spiel …“ Dann verstummt er.
„… Pech in der Liebe“, führe ich den Satz zu Ende. „Glaubst du das wirklich?“
Er zuckt mit den Schultern. „Sieh mich doch an. Ich war auf dem Weg zu der Frau, die ich geliebt habe, als …“
„Ich bin mir sicher, es gab noch andere Frauen in deinem Leben“, unterbreche ich ihn. „Komm schon. Brüssel? Zürich? Du hast doch in jeder Stadt eine Frau, die auf dich wartet.“ Ich versuche unbeschwert zu klingen, dabei bereitet es mir Magenschmerzen, wenn ich mir Paul mit einer anderen Frau vorstelle. Plötzlich begreife ich, wie er sich fühlen muss, wenn er an mich und Simon denkt.
Paul schüttelt den Kopf. „Ich wünschte, es wäre so, aber nach dir hat es nie eine andere Frau gegeben. Natürlich habe ich mich mal mit der einen oder der anderen getroffen. Aber nach dem, was wir beide hatten …“ Er wendet den Blick ab. „Ich meine, welchen Sinn hätte das noch?“
„Paul …“
Er sieht mich wieder an. „Ich liebe dich noch immer, Marta.“ Mein Atem stockt. „Ich habe es immer gewusst, und als ich dich wiedersah … Ich weiß, ich sollte das nicht sagen, aber es ist nun mal die Wahrheit.“
Ich muss tief durchatmen, dann kommt mir die Frage über die Lippen, die ich so lange Zeit unterdrückt habe: „Warum bist du nicht zu mir gekommen, nachdem du wieder gesund warst? Wenn ich dir so viel bedeute, warum bist du nicht gekommen?“
Sekundenlang hält er inne. „Aber ich bin doch zu dir gekommen! Als ich das Bett verlassen konnte, habe ich mich sofort auf den Weg zu dir gemacht. Die Ärzte sagten, es sei zu früh, und dass ich einen Rückfall erleiden würde. Ich ging zu dieser Adresse in Kensington, die du mir in Paris gegeben hast. Die von der Tante deiner Freundin.“
„Delias Haus?“
Er nickt. „Sie war nicht da, aber der Butler sagte, dass du geheiratet hättest.“ Er schluckt so angestrengt, als würde ihm jedes Wort Schmerzen bereiten. „Er sagte, du seist umgezogen, und er nannte mir deinen neuen Namen. Ich erkundigte mich und fand heraus, wohin du gezogen bist. Selbst da wusste ich, dass ich dich wiedersehen musste. Ich kam zu dir, Marta.“
„Du warst an unserem Haus?“
„Ja, und ich sah dich. Du warst im Garten.“ Seine Augen nehmen einen verlorenen Ausdruck an, so als würde er die Szene noch einmal erleben. „Ich wollte dich einfach wissen lassen, dass ich noch lebe. Doch dann standst du auf, und ich konnte sehen, dass du schwanger warst.“ Seine Stimme versagt. „Du sahst so schön aus, aber du warst verheiratet, und ein Kind war unterwegs. Da wusste ich, dass ich nicht in dein Leben zurückkehren konnte. Also machte ich kehrt und ging fort, ohne etwas zu sagen.“
Ich erwidere nichts darauf. Ich sehe den Tag vor mir, von dem er erzählt. Ein Morgen kurz nach Frühlingsanfang. Fast kann ich die kalte, feuchte Erde an meinen Fingern spüren. Ich erinnere mich, dass ich so ein Gefühl hatte, als ob da jemand wäre. Der Gedanke kam mir oft in den Monaten nach der Todesnachricht, mal im Garten, mal auf der Straße, auch mal in einem Geschäft. Wenn ich mich umdrehte, war nie jemand da. Zumindest dachte ich das. Oh Gott, hätte ich doch nur die Wahrheit gekannt! Und hätte er die Wahrheit gekannt. Auch ich durchlebe den Moment wieder, als ich mich diesmal umdrehe, sehe ich Paul. Ich lasse den Korb fallen, laufe quer durch den Garten und werfe mich ihm an
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