Die Frau des Diplomaten (German Edition)
weitergehen. Verzweifelt laufe ich los und eile an den Hafenarbeitern vorbei, die von mir keine Notiz nehmen, da sie durch die Schüsse abgelenkt sind.
An der Bremen angekommen, betrachte ich staunend den breiten Steg, über den man an Bord des Schiffs gelangt. In geduckter Haltung laufe ich hinauf. Oben angekommen, bleibe ich einen Moment lang im Schutz eines Kartons stehen, dann eile ich weiter bis zum Heck des Schiffs. Ich habe es geschafft. Ich beuge mich über die Reling und beobachte, wie Paul von den Polizisten weggetragen wird. Nur mit Mühe kann ich mich davon abhalten, zu ihm zu rennen und etwas Unüberlegtes zu tun. Wenn ich wieder in England bin, kann ich die Amerikaner bitten, ihm zu helfen. Aber dann denke ich an die Schüsse, und mir wird voller Entsetzen klar, dass es zu spät ist, um noch zu helfen. Ich habe Paul erneut verloren, und diesmal für immer. Leb wohl, mein Geliebter. Ich danke dir, dass du mir ein weiteres Mal das Leben gerettet hast. Tränen lassen alles vor meinen Augen verschwimmen.
Wenige Minuten später wird der Steg eingeholt, ein Signalhorn ertönt, und das Schiff legt ab. Ich habe es offenbar in letzter Sekunde geschafft. Mein Blick wandert über das Deck auf der Suche nach einer Luke, damit ich mich ins Innere des Schiffs zurückziehen kann. Plötzlich bemerke ich eine Bewegung auf dem Pier, eine Gestalt nähert sich dem Schiff. Als ich die Gangart des Mannes erkenne, macht mein Herz einen Freudensprung. Es ist Paul! Er lebt, und er versucht, an Bord zu kommen!
Beeil dich , flehe ich ihn stumm an und muss mich davon abhalten, ihn lautstark anzufeuern. Doch das Schiff entfernt sich bereits vom Pier. Er kann es unmöglich schaffen! Er läuft weiter und weiter, und ich sehe, dass sein Blick auf ein kleines Rettungsboot gerichtet ist, das durch ein Tau mit dem Schiff verbunden ist. Inzwischen trägt Paul keinen Mantel mehr, er rennt bis zum Ende des Piers und springt ohne zu zögern ins Wasser. Es muss eiskalt sein! Er wird in der Kälte nicht lange durchhalten. Mein Herz schlägt wie wild, während ich hilflos mitansehen muss, wie er mit kräftigen Zügen auf das Rettungsboot zuschwimmt. Beeil dich! Er bekommt das Boot zu fassen, rutscht aber ab. Dann versucht er es noch einmal, und jetzt findet er Halt. Ja, er hat es geschafft. Aber im Kielwasser des Schiffs schaukelt das Boot so heftig hin und her, dass Paul sich nicht lange wird halten können. Er bekommt das dicke Tau zu fassen, an dem das Rettungsboot festgemacht ist. Staunend sehe ich mit an, wie er sich Stück für Stück an dem Tau nach oben hangelt. Als er die Reling erreicht hat, beuge ich mich hinüber, um ihn an Bord zu ziehen, doch selbst das bewältigt er noch aus eigener Kraft.
„Paul“, flüstere ich unter Tränen. Er ist klitschnass, sein Hemd ist vorne blutgetränkt.
„Ich habe dir doch gesagt, dass ich dich nicht noch einmal versetze“, bringt er heraus, dann sackt er zusammen.
24. KAPITEL
„Paul!“ Ich knie neben ihm und berühre das blutgetränkte Hemd. Die Augen hat er halb geöffnet, sein Atem geht flach. Oh mein Gott! Ich muss ihn ins Warme schaffen und irgendwo verstecken, damit ihn niemand findet. Gut zwanzig Meter von mir entfernt bemerke ich eine Luke. Zwar weiß ich nicht, was sich dahinter verbirgt, aber ganz bestimmt sind wir dort sicherer aufgehoben als hier draußen, wo uns jedermann sehen kann. „Paul, kannst du mich hören?“ Er brummt leise. „Du musst mir helfen. Hier können wir nicht bleiben, aber ich kann dich nicht allein von hier wegschaffen. Kannst du aufstehen?“
Er antwortet nicht. Ich lege seinen rechten Arm über meine Schulter, dann fasse ich unter ihn, hole tief Luft und versuche, ihn hochzuziehen. Aber sein Körper bleibt schlaff, und damit ist er zu schwer für mich. Ratlos schüttele ich den Kopf. „Paul, hör mir zu. Ich weiß, du bist verletzt. Aber du musst mir dabei helfen, dich von hier wegzubringen. Ich zähle bis drei, und dann nimmst du für ein paar Minuten alle deine Kräfte zusammen und stehst auf, okay?“ Wieder versuche ich ihn hochzuziehen, und diesmal bemerke ich eine minimale Bewegung in seinen Beinen. Er zittert am ganzen Leib, so sehr strengt er sich an, mich bei meinen Bemühungen zu unterstützen. Ich frage mich, wie schwer seine Verletzung sein mag. Panik steigt in mir auf, als ich ihn kurzerhand hinter mir her über das Deck schleife, da nicht daran zu denken ist, dass er aufsteht und mir meine Anstrengungen erleichtert.
Ich lehne ihn
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