Die Frau des Diplomaten (German Edition)
…“
„Dass du mich schon wieder verloren hast?“, führt er meinen Satz zu Ende. Ich nicke und fühle mich von allem überwältigt. Plötzlich kommen mir die Tränen. „Nein, so leicht wirst du mich nicht los. Sie wollten mir Handschellen anlegen“, redet er weiter. „Aber ich konnte meinen Mantel abstreifen und bekam die Waffe von dem Mann zu fassen, der mich festhielt. Es gelang mir, ihn zu erschießen und die beiden anderen zu verletzen.“ Seine Stimme versagt, wohl wegen der Anstrengung, aber auch wegen der Erinnerung an diesen Moment. In seinen Augen sehe ich das gleiche Bedauern wie in Berlin, als er den Polizisten getötet hatte. Einem Menschen das Leben zu nehmen, fällt Paul nicht leicht, selbst wenn er damit sein eigenes rettet.
Oder meins.
„Ich liebe dich“, wiederhole ich und wünschte, ich könnte ihm etwas von seinen Schmerzen abnehmen.
„Ich dich auch. Mir wäre es nur lieber, du hättest dich nicht so schnell einem anderen Mann zugewandt.“ Er versucht, unbeschwert zu klingen, aber seine Miene verrät, wie ernst es ihm ist.
Ich weiß, jetzt muss ich ihm die Wahrheit sagen. „Das habe ich nicht.“
Paul sieht mich ratlos an. „Ich verstehe nicht. Was hast du nicht?“
Einen Moment lang zögere ich. Wenn ich Paul einweihe, wird das nicht ohne Konsequenzen bleiben. Aber er muss die Wahrheit erfahren, allein schon für den Fall, dass … nein, ich kann diesen Gedanken nicht zu Ende führen. Aber wenn ihm etwas zustößt, dann will ich, dass er es vorher noch erfahren hat. „Ich habe mich nicht einfach so einem anderen Mann zugewandt“, erkläre ich.
„Aber du hast so kurz darauf geheiratet …“
„Ich habe Simon nicht aufgrund meiner Gefühle für ihn geheiratet, und auch nicht, weil ich dich vergessen hätte. Ich tat es, weil ich schwanger war.“
„Aber du hättest doch nicht mit ihm geschlafen, wenn du nicht …“ Plötzlich stutzt er, dann leuchten seine Augen auf. „Das hast du auch nicht, richtig?“
„Mit ihm geschlafen? Nein, erst nach unserer Heirat.“
„Dann ist das Baby …“
Ich nicke. „Rachel ist deine Tochter. Es tut mir leid, dass ich es dir nicht früher gesagt habe.“
Aufmerksam beobachte ich seine Reaktion. Ist er wütend? „Meine Tochter“, murmelt er leise und schließt die Augen. Ich beuge mich vor und überprüfe seinen flachen Atem, da ich fürchte, die Wahrheit könnte zu viel für ihn sein. Das ist das Fieber, sage ich mir und fühle abermals seine Stirn. Er wird sich nicht daran erinnern, was ich ihm anvertraut habe. Aber wenigstens weiß er es jetzt. Ich lehne mich zurück. Ganz gleich, was noch kommen wird, er weiß es. Dann sinke ich langsam wieder in einen traumlosen Schlaf.
Nach einer Weile werde ich wieder wach, spüre das Schaukeln des Schiffes und rieche das feuchte Holz. Paul liegt auf der Seite und bewegt sich nicht. Oh nein, wäre ich doch bloß nicht eingeschlafen! „Paul.“ Ich berühre Wangen und Stirn, sein Gesicht fühlt sich etwas kühler an, doch er hat die Augen weiterhin fest geschlossen. Vorsichtig drehe ich ihn zu mir um und lege seinen Kopf in meinen Schoß. „Paul, wach bitte auf.“
Seine Augenlider flattern, dann schlägt er sie auf. „Hallo“, sagt er lächelnd zu mir.
„Du bist wach! Wie fühlst du dich?“
Er legt eine Hand auf seine Seite. „Es tut noch immer weh.“
Ich ziehe sein Hemd hoch, um die Verletzung zu begutachten. Der Verband ist zwar durch und durch rot gefärbt, aber es scheint so, als hätte die Blutung aufgehört. Eigentlich müsste ich den Verband wechseln, aber ich habe keinen Ersatz. Ich lasse sein Hemd wieder los. „Die Wunde scheint nicht mehr zu bluten“, erkläre ich erleichtert. „Jedenfalls sieht das für mich so aus.“
Er nickt. „Aber in mir rumort es noch immer, das kann ich deutlich spüren.“
„Dein Fieber hat nachgelassen.“ Ich versuche, nicht zu besorgt zu klingen. „Du solltest mehr trinken.“ Ich greife hinter mich und hole die Feldflasche hervor.
„Das kann ich selbst“, winkt er ab und nimmt mir die Flasche aus der Hand. „Viel ist nicht mehr übrig. Habe ich das alles getrunken?“
„Einen Teil davon, den anderen brauchte ich, um das Fieber zu senken.“
„Hast du auch etwas getrunken?“
„Ja“, behaupte ich und weiche dabei seinem Blick aus.
„Marta …“ Er berührt meine Lippen, und erst jetzt fällt mir auf, wie trocken sie sind. „Du musst auch etwas trinken.“
„Mir geht es gut“, beteuere ich. „Ich werde sicher
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