Die Frau des Diplomaten (German Edition)
ausmachen, wenn wir später darüber reden?“
„Natürlich. Du bist sehr erschöpft. Wenn du dich erholt hast und erst wieder zu Hause bist, dann ist es noch früh genug für einen abschließenden Bericht.“
Zu Hause. „Wo ist Rachel? Wie geht es ihr?“
„Sie ist bei Delia, und es geht ihr blendend.“
„Delia“, wiederhole ich bedächtig. „Weiß sie es?“
Simon schüttelt den Kopf. „Nur dass du im Krankenhaus bist. Sie glaubt, du wurdest krank, als du meine Tante besucht hast.“ Es stört mich immer noch, sie zu belügen. „Auf jeden Fall geht es Rachel gut“, redet er weiter. „Sie wird sich sehr freuen, dich endlich wiederzusehen. Am Wochenende ist sie übrigens auf eine Geburtstagsparty eingeladen.“
Ich sehe aus dem Fenster auf eine Wiese, die in dichten Nebel gehüllt ist. Ein Kindergeburtstag. Vor ein paar Tagen war ich noch auf der Flucht vor der Polizei. Zusammen mit Paul. Es kommt mir vor, als sei das schon ewig her. Vor meinem geistigen Auge verblasst Pauls Gesicht. Dann schaue ich wieder zu Simon. „Wann kann ich nach Hause?“
Ich lasse mich aufs Sofa sinken und ziehe die Decke zurecht, die über meinen Beinen liegt. Dann nehme ich die Tasse Tee, die Delia mir gebracht hat, und schaue aus dem Fenster. Delia ist mit Rachel im Garten vor dem Haus und spielt Ball mit ihr. Als ob sie gespürt hätte, dass ich ihr zusehe, dreht Rachel sich zu mir um und lächelt mich strahlend an. Sogar auf diese Entfernung kann ich den Milchzahn aufblitzen sehen, der zum Vorschein gekommen ist, während ich weg war. Ich habe diesen Moment versäumt, aber ich kämpfe gegen meine Schuldgefühle an und hauche ihr einen Kuss zu.
Dann lehne ich mich wieder zurück und starre ins Kaminfeuer. Fast drei Wochen sind jetzt vergangen, seit ich im Krankenhaus aufgewacht bin. Simon hatte recht, mit mir war alles in Ordnung, sodass ich am nächsten Tag entlassen werden konnte. Ich hätte sofort wieder ins Büro gehen können, doch Simon bestand darauf, dass ich mich erst einmal von den Strapazen erhole. „Du hast deinen Beitrag geleistet“, sagte er. „Lass den anderen auch eine Chance, etwas zu tun.“ Also hatte ich mich widerstrebend mit einer kurzen Erholungspause einverstanden erklärt. Delia kommt jeden Tag her, um mir Gesellschaft zu leisten und sich um Rachel zu kümmern. Trotzdem verbringe ich fast die ganze Zeit mit meiner Tochter. Es scheint ihr überhaupt nichts ausgemacht zu haben, dass ich so viele Tage nicht bei ihr war, was mich auf eine egoistische Weise doch ein wenig stört. Ihr ist nicht bewusst, wie groß die Gefahr war, der ich mich ausgesetzt habe. Ich werde wieder ins Büro gehen, aber ich bin mir gewiss, einen solchen Auftrag niemals wieder zu übernehmen.
Ein paar Minuten später kommt Delia mit Rachel auf dem Arm ins Haus zurück. Die Kleine zieht einen Schmollmund. „Was ist los, mein Schatz?“, frage ich sie, als Delia sie zu mir bringt.
„Sie wäre lieber noch draußen geblieben“, antwortet Delia. „Sie hatte gehofft, dass Sammie herkommt und mit ihr spielt.“ Sammie ist der Nachbarsjunge, er ist fast drei. Erstaunt sehe ich Rachel an. Kann sie in ihrem Alter schon verliebt sein? „Aber die Sonne geht bereits unter“, redet Delia weiter, „und es wird draußen zu kalt. Außerdem muss sie vor dem Zubettgehen noch gebadet werden.“
Unwillkürlich muss ich lächeln. Delia achtet mit der Gründlichkeit eines Generals darauf, dass Rachels Zeitplan genau eingehalten wird. „Du kannst morgen wieder draußen spielen“, verspreche ich Rachel. „Vielleicht kommt Mutti sogar mit. Und jetzt gib mir einen Kuss.“
Delia hält mir die Kleine hin, ich küsse sie auf die kühle Wange und atme den Duft nach frischer Erde ein. Plötzlich klingelt das Telefon. Delia schaut über die Schulter. „Da sollte ich besser rangehen.“ Ich weiß, dass sie um Charles besorgt ist, dem nur Ruff Gesellschaft leistet.
„Gib mir Rachel“, sage ich zu ihr und strecke die Arme aus. Meine Tochter drückt sich an mich und plappert vor sich hin.
„Hallo?“, höre ich Delias Stimme aus dem Nebenzimmer, während ich Rachels Mantel aufknöpfe. „Hallo?“ Dann folgt Stille. Im nächsten Moment kehrt sie ins Zimmer zurück.
„Hat sich niemand gemeldet?“, frage ich. „Wie seltsam.“
„Das ist gestern schon einmal passiert“, sagt sie und kommt zu mir. „Ich wollte es eigentlich erwähnen, aber dann habe ich es vergessen.“
Ich zucke mit den Schultern. „Wenn es wieder vorkommt, werde
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