Die Frau des Diplomaten (German Edition)
nach, das vor ihm auf dem Tresen liegt. Er überfliegt eine Seite, dann eine weitere. „Mattison … nein, den habe ich nicht.“
Natürlich nicht. Ich schelte mich innerlich für meine Dummheit. Hatte ich tatsächlich erwartet, Paul würde sich hier aufhalten und auf mich warten? „Nochmals vielen Dank.“ Ich durchquere eilig die Lobby und verlasse das Hotel. Ich komme mir so albern vor, dass ich überhaupt gefragt habe.
Draußen gehe ich in Richtung der Bushaltestelle. Dabei komme ich an einem Café vorbei, die Tische auf der Terrasse sind mit Soldaten und Zivilisten besetzt, man unterhält sich bei einem Drink am Nachmittag. Der köstliche Duft von frisch gebackenen Waffeln steigt mir in die Nase. Der Duft scheint jedoch nicht aus dem Café zu kommen, sondern aus der kleinen Patisserie gleich daneben. Neugierig gehe ich zum Schaufenster und betrachte die verschiedenen Köstlichkeiten in der Auslage. In der Mitte entdecke ich einen kleinen Berg aus Schokoladenteilchen. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Ich greife in meiner Tasche nach dem Geld, das Dava mir mitgegeben hat. Es wäre unverantwortlich, irgendetwas von diesem wenigen Geld für Süßes auszugeben. Außerdem muss ich zusehen, dass ich schnellstens eine Unterkunft finde. Trotzdem betrete ich das Geschäft, ich kann einfach nicht anders.
Ich zeige auf die Schokoladenteilchen, dann halte ich einen Finger in die Höhe. „S’il vous plaît . “ Sorgfältig zähle ich das fremde Geld ab, während die Verkäuferin die Schokolade in eine Papiertüte verpackt und mir über die Theke hinweg reicht. Als ich wieder draußen bin, öffne ich die Tüte und inhaliere das Aroma. Schließlich hole ich das Teilchen heraus. Ich weiß, ich sollte zumindest in den Park gehen, mich dort auf eine Bank setzen und in Ruhe genießen, aber meine Geduld reicht nicht aus. Ich beiße von dem Teilchen ab und schließe die Augen, während die Schokolade auf der Zunge zergeht und ihren vollen Geschmack entfaltet. Iss langsam, ermahne ich mich. Bewahr dir noch etwas für später auf. Aber mein Appetit scheint einen eigenen Willen zu entwickeln, ich verschlinge das ganze Teilchen, und ehe ich mich versehe, stehe ich mit leeren Händen da.
Ich schaue zu den Leuten, die an den Tischen im Café nebenan sitzen und gemächlich Süßes von der Art essen, wie ich es gerade verschlungen habe. Wenn alles in Paris so gut schmeckt, dann sollte ich London vielleicht vergessen und stattdessen hierbleiben.
Sehnsüchtig kehrt mein Blick zur Patisserie zurück, und ich wünschte, ich könnte ein zweites Schokoladenteilchen kaufen. In diesem Moment höre ich ein lautes, seltsam vertrautes Lachen. Ruckartig drehe ich den Kopf und sehe zu den Tischen auf der Caféterrasse.
An einem der Tische sitzen zwei Männer in Uniform mit zwei jungen Frauen. Einer der Männer hat seinen Arm um eine der Frauen gelegt.
Es ist Paul.
8. KAPITEL
Paul! Zwar hatte ich eben noch im Hotel nach ihm gefragt, aber ich war doch nicht wirklich davon ausgegangen, dass er … Ich zwinkere ein paarmal, da ich insgeheim damit rechne, dass er sich vor meinen Augen in Luft auflöst. Doch er sitzt nach wie vor da und lacht laut und sichtlich vergnügt. Das erscheint mir so unwirklich. Was macht er hier? Freude regt sich in mir, und ich gehe einen Schritt auf ihn zu. Dann jedoch fällt mein Blick auf die junge Frau, mit der er sich angeregt unterhält, und ich bleibe irritiert stehen. Wer ist sie? Leise Wut regt sich in mir, als ich sehe, wie er sie anlächelt, sich vorbeugt und etwas zu ihr sagt.
Ich bin so enttäuscht, dass ich ihm am liebsten jetzt und hier die Meinung sagen will. Sofort mache ich einen weiteren Schritt in seine Richtung. Abermals gerate ich ins Stocken. Im Schaufenster sehe ich mein Spiegelbild. Das schlichte rosa Kleid, in dem er mich schon vor zwei Tagen gesehen hat, ist von der langen Zugfahrt und der ungemütlichen Nacht hoffnungslos zerknittert. Ich habe dunkle Ringe unter den Augen, meine Lippen sind trocken und mit Schokolade beschmiert. Ein zerlumptes und zerzaustes polnisches Mädchen vom Land. Als ich dann die Französin ansehe, mit ihrer schönen Frisur und der pfirsichfarbenen Seidenbluse, da möchte ich am liebsten im Erdboden versinken. Wie konnte ich nur jemals denken, dass Paul etwas an mir finden könnte?
Ich drehe mich hastig um und rempele dabei einen Kellner an, der mit einem Tablett von der Patisserie zum Café unterwegs ist. Tassen und Teller fallen zu Boden und gehen lärmend
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