Die Frau des Diplomaten (German Edition)
schon fragen, wo du bleibst.“
„Du meinst meinen Kumpel John?“
„Genau genommen meine ich die Frau, mit der du dich unterhalten hast.“ Ich selbst höre die Eifersucht, die in meinen Worten liegt.
„Ach so!“ Ihm geht erkennbar ein Licht auf. „Marta, ich kann mir vorstellen, wie das ausgesehen hat, aber du irrst dich. Unsere Einheit war letztes Jahr einige Male in Paris.“ Dann hat er die Französin also nicht erst heute kennengelernt, wird mir mit Entsetzen bewusst. „John hat mit einer der Frauen, Collette, die Freundschaft per Brief aufrechterhalten“, fährt er fort. „Emilie, die andere, ist Collettes Cousine. Sie musste Emilie mitbringen, sonst wäre es ihr gar nicht möglich gewesen, sich mit John zu treffen. Sie haben mich nur eingeladen, damit sich Emilie nicht dumm vorkommt. Ich habe überhaupt kein Interesse an ihr.“
„Nicht?“ Ich mustere ihn aufmerksam, weil ich ihm zu gerne glauben möchte. „Dann musst du nicht zu ihnen zurück?“
„Ich bin mir sicher, der gute Johnny wird auch mit zwei Französinnen klarkommen. Und nachdem du jetzt hier bist … Ich hätte mir das nie träumen lassen, Marta. Ich bin so froh …“ Er zögert, dann fällt mir auf, dass er leicht errötet. „Würdest du mit mir zu Abend essen?“
Mir stockt der Atem. Paul will tatsächlich seine freie Zeit mit mir verbringen? Mit mir, nicht mit dieser bildschönen Französin? Ich will seine Einladung annehmen, nichts würde ich lieber tun. Aber ich kann mir kein Essen leisten, und ich habe noch immer kein Quartier für die Nacht. Ich muss diese Notunterkunft vom Roten Kreuz aufsuchen. „Ich weiß nicht …“
„Bitte“, beharrt er. „Ich werde dem Portier sagen, dass er deine Zugfahrkarte umdatieren lassen soll. Es sei denn, du willst das lieber in deinem Hotel erledigen lassen.“
„Nein“, wehre ich sofort ab. „Ich … was ich sagen will … in meinem Hotel scheint man nur Französisch zu verstehen, und ich hätte Angst, dass irgendetwas schiefgeht.“ Diese Lüge kommt mir viel zu glatt über die Lippen.
„Dann lassen wir es in meinem Hotel erledigen, sobald ich mir ein Zimmer genommen habe“, erklärt er entschieden. „Und während wir darauf warten, können wir etwas essen.“
Als ich in seine Augen sehe, kann ich einfach nicht anders. Eher würde ich heute Nacht auf der Straße schlafen, als Paul jetzt zu verlassen. „Das wäre sehr schön. Vielen Dank.“
„Hervorragend.“ Begeistert klatscht er in die Hände. „In welchem Hotel wohnst du? Willst du dich vor dem Essen noch etwas frisch machen?“
„M-mein Hotel ist ziemlich weit weg“, behaupte ich prompt. Ich mag Paul nicht anlügen, aber ich kann mich nicht dazu durchringen, ihm zu sagen, dass ich die letzte Nacht vor einer Kirche verbracht habe. Mein Blick fällt auf die Tasche, in der sich all meine Habseligkeiten befinden, und ich frage mich, ob diese Tasche ihn wohl misstrauisch machen könnte. „Gibt es in deinem Hotel keine Damentoiletten, wo ich mich frisch machen kann?“
„Doch, natürlich.“ Wir gehen zurück zum Servicemen’s Hotel, dabei betrachte ich Paul aus dem Augenwinkel. Ich bin mit ihm in Paris! Das ist fast zu schön, um wahr zu sein.
Wenige Minuten später durchqueren wir die Lobby, dann zeigt Paul auf einen Flur zur rechten Seite. „Dort drüben geht es zu den Waschräumen. Ich werde inzwischen meinen Zimmerschlüssel holen. Gib mir deine Fahrkarten, dann kann ich den Pförtner alles Weitere erledigen lassen, damit du morgen früh deinen Zug nehmen kannst.“
„Das klingt wunderbar.“ Ich greife in meine Tasche und gebe ihm die Unterlagen. Dabei berühren sich unsere Hände, doch diesmal geht keiner von uns auf Distanz. Unsere Blicke treffen sich, und ich sehe in seinen Augen die gleiche Sehnsucht wie an dem Morgen, als wir die Gartenlaube verließen. Erst jetzt ziehe ich meine leicht zitternde Hand zurück.
Nachdem ich die Damentoilette betreten habe, drehe ich den Warmwasserhahn über dem Waschbecken auf. Als ich in den kleinen, gesprungenen Spiegel schaue, erschrecke ich über das Gesicht, das mich anstarrt. Wenn ich doch nur vor dem Abendessen ein Bad nehmen und das andere Kleid anziehen könnte! Ich wasche mein Gesicht so gründlich wie möglich und feuchte meine Haare an, damit ich sie einigermaßen glatt zurückstreichen kann.
„Und? Fühlst du dich jetzt besser?“, fragt Paul, als ich in die Lobby zurückkehre. Ich nicke und lächle. „Gut, dann lass uns gehen.“ Ich folge ihm aus
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