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Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Titel: Die Frau des Diplomaten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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Schlange zu fragen, und ich kann meinen Platz nicht aufgeben, nur um bei dem Wachmann um die Ecke nachzufragen.
    Eine weitere Stunde verstreicht, und dann habe ich endlich das Tor erreicht. Als Nächstes gilt es, ein paar Stufen zu überwinden. Im Gebäude zieht sich die Schlange quer durchs Foyer bis in einen Warteraum. Schließlich habe ich es geschafft, ich stehe weit vorn in der Schlange, ganz nah vor den verglasten Schaltern. Die Luft ist stickig. Eine Frau und zwei Männer besetzen die Schalter, von irgendwoher klackert das Geräusch einer Schreibmaschine. Ich beobachte, wie die Menschen, die noch vor mir sind, zu den Schaltern gehen. Einige legen Papiere vor, andere reden nur. Was sie sagen, kann ich nicht verstehen. Am mittleren Schalter streitet sich eine Frau minutenlang mit dem Mann dahinter, und als sie weggeht, sehe ich, dass ihre Wangen tränennass sind.
    Dann endlich bin ich an der Reihe. „Nächste!“, ruft die Frau am Schalter ganz rechts. Ich trete vor, mein Herz rast vor Nervosität. Dann atme ich tief durch und halte mir vor Augen, dass ich eigentlich Rose bin und vor nichts Angst zu haben brauche.
    Die Frau streckt mir eine Hand hin, als wolle sie etwas durch den Schlitz unten an der Scheibe entgegennehmen. „Ja?“
    Im Glas sehe ich mein Spiegelbild, und ich muss feststellen, dass ich schrecklich aussehe. Mein Kleid ist zerknittert, die Haare sind zerzaust. Ich hätte mir die Zeit nehmen sollen, mich ein wenig frisch zu machen. Doch dafür ist es jetzt zu spät. Ich schiebe meine Papiere durch den Schlitz. „Ich habe ein Visum für England, aber das ist gestern abgelaufen.“ Mein Text, den ich während der Zugfahrt so sorgfältig geübt habe, kommt mir so hastig über die Lippen, dass ich fürchte, er könnte völlig unverständlich sein. „Ich konnte Salzburg erst gestern Abend mit dem Zug verlassen, und dann wurden wir nach Paris umgeleitet. Dadurch war es mir nicht möglich, meine Fähre zu bekommen und nach England überzusetzen. Ich war gestern schon einmal hier, aber da war die Botschaft bereits geschlossen. Ich würde gern wissen, ob man das Visum verlängern kann.“
    Die Frau sieht sich die Papiere an. „Diese Art von Visum können Sie hier nicht verlängern lassen“, verkündet sie kühl. „Die einladende Person muss die Verlängerung beantragen.“ Sie schiebt die Unterlagen zurück.
    „Ich muss aber nach England. Bitte.“
    Ungerührt hört sie mir zu, so als würde sie das jeden Tag ein Dutzend Mal erleben. „Es tut mir leid, aber das fällt nicht in meinen Zuständigkeitsbereich.“
    „Aber was soll ich denn jetzt tun?“ Entsetzen lässt meine Stimme lauter werden.
    Schulterzuckend erklärt sie: „Wie ich bereits sagte, besteht die einzige Möglichkeit darin, dass die Person, die Sie eingeladen hat, in England eine Verlängerung beantragt. Bis das geschehen ist, müssen Sie in Ihr Herkunftsland zurückkehren.“
    „Dominique!“, ruft eine Männerstimme. „Telefon.“ Die Frau wendet sich kurz ab und spricht mit jemandem, den ich nicht sehen kann, dann dreht sie sich wieder zu mir. „Ich bedauere, aber ich kann nichts für Sie tun.“ Knapp und abweisend fügt sie noch ein „Guten Tag“ hinzu.
    „Aber …“, setze ich an, doch die Frau wendet sich wieder ab und verlässt den Schalter.
    Sekundenlang stehe ich wie angewurzelt da. Ich überlege, ob ich warten soll, bis die Frau zurückkommt, doch ich spüre, dass das zwecklos wäre. Also bahne ich mir einen Weg zwischen den Wartenden hindurch und kehre zurück auf die Straße. Dort angekommen, muss ich erst einmal nach Luft schnappen. Tränen laufen mir übers Gesicht. Ich fühle die Blicke der Menschen, während ich schluchzend an ihnen vorbeilaufe.
    An der Ecke überquere ich den Boulevard und gehe in den kleinen Park zurück. Ich lasse mich auf eine Bank am Brunnen sinken und schluchze noch immer. Das Visum wurde nicht verlängert. Was soll ich denn jetzt nur machen?
    Ich betrachte die Papiere, die ich in der Hand halte. Das Visum ist abgelaufen und nutzlos. In einem Anflug von Verzweiflung will ich alles in den Abfallkorb neben der Bank werfen, doch dann bremse ich mich. Das sind schließlich die einzigen Papiere, die ich besitze. Ich überlege kurz, ob ich mein Glück als blinder Passagier versuchen soll. Aber wenn ich es nicht nach England schaffe, wohin soll ich dann gehen? Mein Geld reicht nicht, um nach Österreich zurückzufahren. Mein Blick fällt auf die leere Bank mir gegenüber, wo gestern die Frauen

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