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Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Titel: Die Frau des Diplomaten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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Generationen in Familienbesitz“, erklärt er mir. „Während der Besetzung war es oft geschlossen, weil Henri die Deutschen nicht bedienen wollte.“ Unter dem Tisch stößt er mich mit dem Bein an. „Oh, entschuldige“, murmelt er, an seinem Hals zeichnen sich rote Flecken ab. Dabei wird mir klar, dass er genauso nervös ist wie ich. Ich kann mir zwar nur schwer vorstellen, dass ich fähig bin, einen Mann nervös zu machen, doch der Gedanke hat etwas seltsam Beruhigendes.
    „Was für Bücher?“, frage ich, um die angespannte Atmosphäre etwas aufzulockern. Er legt den Kopf schräg, da er nicht weiß, was ich meine. „Henri sagte, dass du Bücher mitgebracht hast, um hier zu lesen.“
    „Ach so, das.“ Er lächelt verlegen. „Ich lese gern. Hemingway, Steinbeck.“ Nun ist es an mir, den Kopf schräg zu legen. „Das sind amerikanische Autoren, allerdings spielen einige von Hemingways Romanen in Europa. Aber ich lese auch gern die Klassiker. Dickens und so. Im Grunde alles, was ich hier in englischer Ausgabe finden kann.“
    „Ich habe gemeinsam mit Rose Betty und ihre Schwestern gelesen“, erwidere ich.
    Henri kommt mit einer Flasche rotem Wein und einem Korb voller Brot an unseren Tisch. Er öffnet die Flasche und schenkt drei Gläser ein, dann stößt er mit uns an: „Auf die Liebe.“ Seine Worte kommen so unverhofft, dass ich zusammenzucke und der Wein gefährlich nah bis an den Glasrand spritzt. Ich schaue rasch zur Seite, um nicht in Pauls Augen sehen zu müssen, gleichzeitig fühle ich, wie meine Wangen zu glühen beginnen. „Das Essen ist bald fertig!“, verkündet Henri und zieht sich wieder zurück.
    „Er macht das so dezent“, kommentiert Paul ironisch und hält mir den Brotkorb hin.
    Ich nehme ein Stück heraus, das noch warm ist. „Er sagte, dass das Essen bald fertig ist. Aber wir haben doch gar nichts bestellt.“
    „Ich lasse immer Henri entscheiden“, erklärt Paul. „Seine Wahl ist sowieso die beste.“
    Ich beiße von meinem Brot ab. Mein Magen knurrt und erinnert mich daran, dass ich bis auf das Schokoladenteilchen heute noch gar nichts zu mir genommen habe. Da Paul mich ansieht, muss ich mich zwingen, langsamer zu kauen und mir Zeit zu nehmen, ehe ich wieder abbeiße. Mein Blick schweift zu den anderen Gästen im Lokal, überwiegend junge Paare. Alle essen sie mit Genuss, reden und lachen, trinken Wein. „Wir befinden uns hier im Quartier Latin nahe der Universität“, klärt Paul mich auf. „Die Studenten können es sich nicht leisten, auswärts zu essen, aber du findest hier viele Akademiker, Künstler und Schriftsteller. Dafür sind weniger Soldaten und Fremde unterwegs als auf der anderen Seite der Seine.“ Mit einer Kopfbewegung deutet er auf ein älteres Paar am Tisch gegenüber. „Die beiden sehe ich fast jedes Mal, wenn ich herkomme, aber ich habe noch nie erlebt, dass sie auch nur ein einziges Wort miteinander reden.“
    „Sie sehen so aus, als wären sie schon seit Langem ein Paar. Vielleicht ist ihnen der Gesprächsstoff ausgegangen“, überlege ich.
    „Ja, könnte sein“, stimmt er mir schmunzelnd zu. „Oder sie müssen gar nichts mehr sagen, um sich zu verstehen.“ Seine Miene wird ernster. „Das muss schön sein, das ganze Leben mit einem einzigen Menschen zu verbringen und mit ihm alt zu werden.“ Mit verlorenem Blick sieht er nun zum Fenster, und ich frage mich mit einem Anflug von Eifersucht, ob er wohl an seine verflossene Verlobte denkt.
    In diesem Moment kommt Henri mit zwei Suppentellern an unseren Tisch. „Erster Gang: Vichyssoise “, verkündet er und stellt die Teller ab, dann saust er wieder Richtung Küche davon.
    Ich nehme den Suppenlöffel und puste auf die Suppe, ehe ich sie probiere. „Lauchcremesuppe. Sie ist kalt“, erläutert Paul lachend, als er meinen verwunderten Gesichtsausdruck bemerkt.
    Ich nicke. Es ist mir peinlich, dass ich das nicht weiß. „Schmeckt gut.“
    Auf einmal erklingt Musik, und als ich mich umdrehe, entdecke ich im hinteren Teil des Restaurants eine Frau um die fünfzig, die an einem Flügel Platz genommen hat. „Das ist Henris Frau Marie“, höre ich Paul sagen. „Seit dreißig Jahren verheiratet, und immer noch so verliebt wie am ersten Tag.“
    Schon wieder fällt dieses Wort: Liebe. Paul sieht mir in die Augen, und auf einmal kommt es mir vor, als würde außer uns beiden nichts mehr existieren. Sekundenlang schweigen wir, dann schließlich räuspert er sich. „Ich freue mich wirklich, dich

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