Die Frau des Diplomaten (German Edition)
dem Hotel und raus auf die Straße, wo er ein Taxi heranwinkt. „Es gibt da ein hervorragendes kleines Bistro in St. Germain“, erzählt er mir, woraufhin ich nicke, als wüsste ich genau, wovon er spricht. „Es ist nichts Vornehmes, aber das Essen ist hervorragend.“ Er hält die hintere Tür des Taxis auf und bedeutet mir einzusteigen, dann setzt er sich zu mir auf die Rückbank und nennt dem Fahrer die Adresse.
Das Taxi fährt los. „Ich kann nur ein paar Brocken Französisch, und die klingen auch noch schrecklich“, vertraut Paul mir an. Er lehnt sich zurück und sitzt dichter neben mir, als es die breite Sitzbank notwendig macht.
„Mir geht es nicht anders“, entgegne ich. Sein Bein berührt meines, und ich wundere mich, welche Hitze von ihm auf mich übergeht. Ich muss mich zwingen, gleichmäßig zu atmen und aus dem Fenster zu sehen. Wir biegen in eine breite Straße ein, die von eleganten Geschäften und Cafés gesäumt ist. Jetzt erst komme ich dazu, die außergewöhnliche Architektur dieser schönen Stadt zu bestaunen. „Hier sind wir auf der Champs-Élysées, und das da“, Paul zeigt nach rechts, „ist der Arc de Triomphe.“
Das riesige Denkmal gerät gleich wieder aus meinem Blickfeld, als das Taxi nach links abbiegt. Wir überqueren eine Brücke, und ich schaue über die Schulter, um die Gebäude am Flussufer sehen zu können. Als ich mich wieder umdrehe, treffen sich unsere Blicke. „Es ist wunderschön“, sage ich, während mein Herz rast.
Hinter der Brücke biegt das Taxi in eine schmale Gasse ein, die sich eine Anhöhe hinaufwindet. Hier ist die Architektur anders, alles ist enger und schmaler, die Häuser wirken älter und schlichter. Ein paar Minuten später hält das Taxi, Paul bezahlt, dann rutscht er weg von mir, um die Tür zu öffnen. In diesem Moment möchte ich ihm zurufen, dass er bei mir bleiben soll, weil mir schon jetzt seine Wärme fehlt. „Kommst du?“, fragt er und hält mir seinen Arm hin.
Ich zögere. Ich könnte noch die ganze Nacht hier mit ihm sitzen und mir vom Taxi aus die Stadt ansehen. Nur widerstrebend lasse ich mir aus dem Wagen helfen, dann führt mich Paul zu einem kleinen Restaurant mit einem schlichten Holzschild davor, auf dem Chez Henri geschrieben steht. Das Lokal ist gut besucht, das gute Dutzend Tische mit rot-weiß karierten Decken nutzt den zur Verfügung stehenden Platz restlos aus. In der Luft hängt der köstliche Duft nach Knoblauch und Kräutern.
Ich halte mich hinter Paul versteckt, da der Lärm hier fast überwältigend ist. Während des Krieges hatte ich mich ein paarmal mit Alek und den anderen in einem der Straßencafés rings um den Marktplatz von Kraków getroffen, aber ein richtiges Restaurant habe ich noch nie besucht. Als ich die Teller und Weingläser sehe, muss ich an den Vorfall vor der Patisserie denken, und fast kann ich hören, wie Geschirr zu Bruch geht.
In diesem Moment kommt ein stämmiger Mann mit Schnurrbart auf uns zugeeilt und begrüßt uns überschwänglich. „Monsieur Paul!“, ruft er strahlend, nimmt Pauls Hand und schüttelt sie.
Paul tritt zur Seite, damit ich nicht länger hinter ihm verborgen bleibe. „Henri, das ist meine Freundin Marta.“ Meine Freundin . Ich bekomme einen Schreck. „Marta, das ist Henri.“
Henri dreht sich zu mir und küsst mich auf beide Wangen. „Willkommen, meine Schöne!“ Völlig überrumpelt von dieser herzlichen Begrüßung vergesse ich beinahe meine Nervosität. Der Mann führt uns ans Fenster zum einzigen freien Tisch und zündet eine zur Hälfte abgebrannte Kerze an. „Monsieur Paul besucht mich immer, wenn er in der Stadt ist.“ Henris Englisch hat einen deutlich französischen Einschlag, aber er spricht langsam genug, dass ich ihn gut verstehen kann. „Er hat jedoch noch nie eine Freundin mitgebracht“, fügt er hinzu und zieht mir den Stuhl zurück. Unwillkürlich muss ich lächeln. „Normalerweise bringt er nur irgendein Buch mit und liest. Ich sage ihm immer, dass das ist nicht gut für die Gesundheit ist. Ich bringe Ihnen den Wein.“ Damit eilt er zurück in die Küche.
Paul setzt sich mir gegenüber und faltet seine Serviette auseinander. Nervös beobachte ich ihn. Ich bin mit ihm spazieren gewesen, ich habe sogar eine Nacht mit ihm verbracht. Aber wie ich ihm jetzt und hier gegenübersitze, das hat etwas viel Intimeres. Ich greife ebenfalls nach meiner Serviette und hoffe, dass er meine Aufregung nicht bemerkt. „Das Restaurant befindet sich seit
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