Die Frau des Diplomaten (German Edition)
Patisserie zurück, an meine Aufregung, als ich auf einmal Paul entdeckte. Warum kann er nicht hier sitzen? Warum muss es dieser Fremde sein?
„Polin? Ich hatte mir so etwas gedacht, als ich Ihren leichten Akzent hörte, aber ich wollte Sie nicht darauf ansprechen. Falls Sie in London Arbeit suchen … Ich könnte eine Sekretärin gebrauchen, die Polnisch beherrscht.“
„O weh, nicht doch“, platze ich heraus. Ich schlucke das Gebäckstück hinunter. „Ich will sagen, das ist wirklich sehr nett von Ihnen, aber ich werde nur für zwei Wochen in London bleiben.“
„Verstehe.“ Er legt einen Moment die Stirn in Falten. „Und was machen Sie dann?“
Nach kurzem Zögern antworte ich: „Dann treffe ich mich mit meinem Verlobten und reise nach Amerika, um dort mit ihm zu leben. Er ist Soldat und kommt her, sobald er seine Entlassungspapiere hat.“
Ein seltsamer Ausdruck huscht über Simons Gesicht, er blickt auf meine Hand. „Ich habe gar keinen Verlobungsring gesehen.“
„Es kam alles sehr überraschend“, erkläre ich eilig. „Wir hatten noch keine Zeit für einen Ring.“
„Ja, natürlich.“ Er klingt zurückhaltend. Hatte er etwa doch romantische Absichten, als er mich zum Tee einlud? Ich mustere Simons Miene und frage mich, ob ich ihm einen falschen Eindruck vermittelt habe. Mit seinen glatten, ebenmäßigen Zügen und den blauen Augen sieht er durchaus attraktiv aus. Doch wenn ich ihn mit Paul vergleiche, wenn ich nur daran denke, wie mir bei ihm der Atem stockt, dann liegen Welten zwischen diesen beiden Männern. „Meinen Glückwunsch“, fügt er ohne jede Regung hinzu.
„Danke.“
Er räuspert sich. „Wirklich zu schade.“ War das etwa so direkt gemeint, wie ich es verstanden habe? „Ich könnte Ihre Hilfe im Ministerium wirklich gut gebrauchen“, ergänzt er schnell.
„Meine Hilfe? Entschuldigung, ich verstehe nicht …“
„Die Situation in Polen und in ganz Osteuropa erfordert unsere volle Aufmerksamkeit.“
„Wie meinen Sie das?“ Meine Finger krallen sich in die Serviette auf meinem Schoß. In Salzburg und selbst in Paris sind mir nur wenige Neuigkeiten über die Lage im Land zu Ohren gekommen. „Was geschieht dort?“
Simon wischt sich einen Krümel aus dem Mundwinkel. „Wie Sie vermutlich wissen, haben die Sowjets einen Großteil Osteuropas befreit.“ Das hatte ich von anderen Flüchtlingen im Lager erfahren. „Das Problem besteht darin, dass es so aussieht, als würden die Sowjets ihr Wort nicht halten“, fährt er fort. „Dabei hatten sie zugesagt, die Regierungen dieser Länder wieder einzusetzen und zu respektieren. Nehmen wir beispielsweise Polen.“ Er wird etwas lauter, seine Miene wirkt eindringlich. „Die Sowjets haben zwar die Übergangsregierung in Lublin anerkannt, aber in Wahrheit ist es nicht mehr als eine Marionettenregierung. Und so sieht es überall in Osteuropa aus.“
Eine diffuse Unruhe erfüllt mich. „Und warum unternimmt niemand etwas dagegen?“
„Das versuchen wir. Während des Krieges wollte niemand die Sowjets verärgern, weil sie im Osten halfen, Hitler zu bekämpfen. Aber jetzt, nachdem der Krieg vorüber ist, haben sie in Osteuropa in fast jedem Land Fuß gefasst, entweder durch ein direktes Einschreiten oder durch Ableger der kommunistischen Partei.“ Ich höre aufmerksam zu, auch wenn nicht alles für mich einen Sinn ergibt. „Weil die sowjetischen Truppen die Region besetzt halten, können wir wenig dagegen unternehmen.“ Mit einem Mal sieht Simon mich prüfend an. „Sie sind keine Freundin der Kommunisten, oder?“ Ich schüttele den Kopf. Es gab bei der Widerstandsbewegung einige Leute, die glaubten, dass die Kommunisten die Lösung für all unsere Probleme hätten. Auch Jakub glaubte an sozialistische Prinzipien. Ich hatte mir die Diskussionen angehört, mir aber keine Meinung zu dem Thema gebildet. Simon redet weiter und wird noch einmal lauter: „Es kommt ein neuer Krieg auf uns zu, Marta! Ein Krieg gegen die Kommunisten. Und er wird vielleicht noch schlimmer als der letzte.“ Seine blassblauen Augen blicken ins Leere.
Meine Gedanken überschlagen sich. „Davon hatte ich keine Ahnung.“
Das Schiff schaukelt heftig, und ich halte die Teetassen fest. „Wir müssen uns der Küste nähern“, stellt Simon fest und sieht aus dem Fenster.
Ich folge seinem Blick und entdecke einen schmalen Streifen Land am Horizont. „Ich sollte mich vor der Ankunft noch frisch machen“, erkläre ich und schiebe meinen Stuhl
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