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Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Die Frau des Diplomaten (German Edition)

Titel: Die Frau des Diplomaten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pam Jenoff
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verzierten Dachgiebeln säumen den Platz auf zwei Seiten. Eine weitere Seite wird von einem großen ausladenden Gebäude beherrscht, dem Alten Rathaus. An der Vorderseite entdecke ich eine farbenprächtige Uhr: mehrere goldene Ringe mit verschiedenen Zifferblättern.
    „Das ist die Astronomische Uhr“, höre ich jemanden hinter mir sagen. Der Mann spricht Tschechisch, das dem Polnischen ähnlich genug ist, dass ich es verstehen kann. Ich drehe mich um und sehe mich einem Mann in einer leuchtend gelben Jacke gegenüber, der hoch zur Uhr zeigt. „Der äußere Ring funktioniert wie eine ganz normale Uhr, der innere Ring zeigt die Position der Erde im Weltall an. Die Uhr wurde im Mittelalter gebaut und lief jahrhundertelang einwandfrei. Erst seit sie im Krieg getroffen wurde, funktioniert sie nicht mehr.“
    „Oh.“ Ich bin erstaunt über die Freundlichkeit des Mannes. Er ist noch recht jung, schätzungsweise fünfundzwanzig, sein Gesicht ist schmal, und mit dem Kinnbart erinnert er mich ein wenig an Alek. „Sie ist sehr schön.“
    „Ich bin Hans.“ Er streckt mir die Hand entgegen.
    Ich zögere, da ich an Renatas Warnung denke, mit niemandem zu reden, doch dann schüttele ich doch seine Hand. „Marta.“
    „Sie sind nicht von hier“, stellt er fest.
    „Ist mein Akzent so ausgeprägt?“
    „Nicht unbedingt. Aber es gibt kaum jemanden, der stehen bleibt und sich die Uhr ansieht. Wer hier lebt, hat sich längst an sie gewöhnt, und es kommen derzeit nicht viele Leute von außerhalb her.“
    Innerlich verfluche ich mich für mein allzu offensichtliches Verhalten und hoffe, dass niemand sonst auf mich aufmerksam geworden ist. „Ich bin beruflich hier“, antworte ich schnell und teste zum ersten Mal meine Tarnung. „Ein Kulturprojekt in der britischen Botschaft.“
    „Verstehe.“ Ich mustere ihn unauffällig und frage mich, ob er mir die Geschichte abnimmt. Aber dann lenkt ihn etwas ab, er schaut an mir vorbei zu einer Statue, an der sich soeben etliche Menschen versammeln. Vorwiegend junge Frauen und Männer kommen aus allen Richtungen geströmt, bis sie zu Dutzenden beisammenstehen. Plötzlich setzt sich die Menge in Bewegung und steuert auf eine der Straßen zu. Eigentlich sollte ich besser zum Hotel zurückkehren, doch meine Neugier siegt, und ich folge der Gruppe. Vor mir sehe ich Hans, der sich an die Spitze des Zuges gesetzt hat. In seiner gelben Jacke hebt er sich deutlich von der Masse ab.
    Die Menge geht durch eine der engen Straßen und biegt dann in die nächste ein. Etwas ist hier anders, fällt mir auf. Die Geschäfte sind geschlossen, die Besitzer haben die Rollgitter heruntergelassen. In den Wohnungen darüber sind die Vorhänge zugezogen. Außer den jungen Leuten, die Hans folgen, ist hier kein Fußgänger unterwegs. Wieder muss ich an den Ladendieb in Kraków denken, an dessen Leiche die Menschen achtlos vorbeigingen. Die Leute hier wollen auch nichts mit dem zu tun haben, was sich vor ihrer Haustür abspielt. Ich sollte besser kehrtmachen, dennoch gehe ich weiter und bin längst Teil der Gruppe geworden. Ich will wissen, was es mit dieser Versammlung auf sich hat.
    Die Straße führt auf einen weiteren Platz, der deutlich größer ist als der, der hinter uns liegt. Er ist langgestreckt und rechteckig. Uns gegenüber steht ein großes Gebäude mit goldenem Kuppeldach. Ich erkenne es als das Nationalmuseum aus dem Reiseführer wieder, in dem ich letzte Nacht blätterte, als ich nicht schlafen konnte. Während die Gruppe vorrückt, kommen von allen Seiten Menschen herbeigeeilt, mal in kleinen Gruppen, mal allein. Zwar sind hier und da auch einige ältere Leute zu sehen, aber in der Mehrzahl scheint es sich um Studenten zu handeln. Einige halten Plakate in die Höhe, doch sie sind zu weit entfernt, als dass ich den Text entziffern könnte. Mir wird klar, dass es sich um einen politischen Protestumzug handelt. Die Menge strömt weiter auf den Platz und auf das Museum zu. Auf den Treppen vor dem Gebäude stehen Polizisten Schulter an Schulter, sie bilden eine Barrikade.
    Ich lasse mich zurückfallen, während die anderen weitermarschieren. Ich kann es mir nicht leisten, mich jetzt in so etwas hineinziehen zu lassen. „Demokratie!“, beginnen die Leute zu rufen. Ich stelle mich auf die Zehenspitzen, um besser sehen zu können. Mir wird klar, dass ich von den Menschen umgeben bin, denen wir zu helfen versuchen. Ich überblicke die Menge, ob ich irgendwo Marek entdecke. Vielleicht ist er ja mit

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