Die Frau des Diplomaten (German Edition)
gewundert, wohin Sie verschwunden sind“, bemerke ich.
„Als ich ihm den Zettel gab, dachte ich, ich hätte jemanden von früher gesehen. Jemanden von der Universität. Ich wollte nicht erkannt werden, also bin ich durch die Hintertür raus.“ Sie wirft die Zigarette aufs Pflaster und tritt sie aus. „Und wie ist es gelaufen?“
„Ganz schlecht.“
„Wollte er nicht mit Ihnen reden?“ Ich schüttele den Kopf. „Das wundert mich nicht. Diese Leute sind alle sehr verschwiegen, vor allem in letzter Zeit.“
„Aber wenn er uns nicht helfen will …“
„Wir überlegen uns etwas anderes“, erwidert Renata. „Kommen Sie, verschwinden wir von hier.“
Entmutigt folge ich ihr zum Wagen. Ich konnte Marek nicht einmal fragen, ob er etwas über Emma und Jakub oder über irgendwen sonst aus dem Widerstand weiß.
Als wir uns der Ecke nähern, taucht aus einer Seitengasse plötzlich eine düstere Gestalt auf. Ehe ich reagieren kann, fasst Renata mich am Ärmel und zieht mich näher zu sich. Ein Mann mit Hut und dunklem Trenchcoat baut sich vor uns auf. Ich bekomme es mit der Angst zu tun.
„Was wollen Sie?“, spricht Renata ihn an.
Ich bemerke eine graue Strähne, die unter seinem Hut hervorlugt. „Sie sind der Mann aus der Bar“, sage ich laut. „Sie haben neben Marek gesessen.“ Renata sieht mich überrascht an.
Der Mann nickt. „Marek hat mich gebeten, Ihnen eine Nachricht zukommen zu lassen. Kommen Sie morgen Mittag in den Park Riegrovy sady.“
Ich drehe mich zu Renata um. „Wissen Sie, wo das ist?“
„Ja, der Park liegt südlich der Stadt. Aber er ist sehr groß“, wendet sie sich an den Mann. „Wo sollen wir auf ihn warten?“
„Am Brunnen. Aber Sie sind nicht eingeladen. Marek hat gesagt, sie soll allein kommen.“ Mit einer Kopfbewegung deutet er auf mich.
„Aber …“, beginnt Renata.
„Kommen Sie allein“, wendet er sich an mich und übergeht den Versuch eines erneuten Einwands. „Marek wird dort sein. Ihnen wird nichts zustoßen.“ Noch bevor ich etwas entgegnen kann, ist er in der Gasse verschwunden.
17. KAPITEL
Ich ziehe die vergilbte Gardine zur Seite und sehe hinunter auf die regennasse Straße. Auf dem Bürgersteig eilen Fußgänger nach links und rechts, mit dunklen Schirmen schützen sie sich vor dem Regen. Ich stelle mir vor, wie Simon das Haus verlässt, um ins Büro zu fahren, während Rachel ihm nachschaut. Heute ist der zweite Tag, an dem sie auf mich verzichten muss. Obwohl ich weiß, dass Delia sich rührend um sie kümmert, schmerzt mich der Gedanke, auch heute Morgen nicht für sie da sein zu können.
Ich lasse die Gardine zufallen und gehe zum Spiegel, wo ich mich bestimmt schon zum hundertsten Mal betrachte: dunkler Rock, cremefarbene Bluse. Da ich in dem kalten, fremden Zimmer kaum ein Auge zubekommen habe, bin ich schon sehr früh aufgestanden, habe mich gewaschen und angezogen und mich dann meinen Haaren gewidmet. Mit viel Mühe habe ich meine Locken zu einem Knoten zusammengebunden, weil ich wie eine Frau aussehen möchte, die von Marek und hoffentlich auch von Marcelitis ernst genommen wird. Doch in den Augen hinter den Brillengläsern liegt ein zögerlicher, unsicherer Ausdruck, so als wollten sie mich fragen, was ich hier eigentlich mache. Ich streiche mein Haar abermals glatt und wünschte, ich hätte daran gedacht, einen Regenschirm mitzubringen. Dann nehme ich meinen Mantel und meine Tasche und verlasse das Hotelzimmer.
„Guten Morgen, Madam“, begrüßt mich der Portier, als ich die Lobby betrete. Ich sehe ihn argwöhnisch an. Warum spricht er mit mir? Er deutet auf das Restaurant. „Werden Sie heute Morgen frühstücken?“
Ich zögere, da mir das Aroma von Kaffee und Rührei in die Nase steigt. Zu gerne würde ich etwas essen, aber mein Magen ist vor Nervosität so verkrampft, dass ich keinen Bissen herunterkriegen würde. „Nein, vielen Dank. Ich habe es eilig.“
Draußen sehe ich auf der schmalen Straße nach links und rechts. Es hat aufgehört zu regnen, der Himmel klart allmählich auf, und mit ein wenig Glück könnte bald die Sonne hervorkommen. Doch noch lässt mich der eisige Wind frösteln, der in diesem Moment durch die Straße fegt und alte Zeitungen über das Pflaster weht. Ich ziehe den Mantelkragen hoch, bis er dicht über meinem Wollschal liegt.
In der Ferne höre ich eine Kirchenglocke neun Uhr schlagen. Drei Stunden bis zu meinem Treffen mit Marek, also viel zu früh, als dass ich mich auf den Weg machen müsste.
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