Die Frau des Germanen
Händen und erkundigte sich besorgt, ob nach den Anstrengungen der Zahnpflege zunächst Severinas Teint erfrischt werden solle,
ehe sie die Unterhaltung mit ihrer Schwägerin fortsetzte.
Aber Severina winkte ab. »Verschwinde!« Ihre Stimme klang nur unwesentlich freundlicher, als sie sich an ihre Schwägerin wandte.
»Oder soll ich Gaviana anweisen, für dich eine Gesichtsmaske anzurühren? Oder auch ein Mundwasser? Wir können uns auch gemeinsam
die Körperhaare entfernen lassen.«
Agrippina jedoch lehnte dankend ab. »Ich habe mir soeben das Gesicht mit lauwarmer Eselsmilch waschen lassen. Das reicht.«
Damit war der Höflichkeit genug getan. Severina gab sich keine Mühe, ihren Ärger zu unterdrücken, als sie fragte: »Woher weißt
du, dass ich die Nacht woanders verbracht habe? Hat mein Bruder dich etwa beauftragt, mein Bett zu kontrollieren?«
»Niemand kontrolliert dich, du bist eine freie Römerin.«
»Genau! Was machst du dir also Sorgen?«
»Du gehörst zur kaiserlichen Familie, Severina, du bist Witwe. Der Kaiser möchte, dass du dich wieder vermählst. Mit einem
angesehenen Römer. Germanicus möchte das auch.«
Severina lachte, ohne die Augen zu öffnen. »Das kann ich mir vorstellen! Aber ihm zuliebe werde ich bestimmt nicht noch einmal
heiraten. Nur dann, wenn ich es will!«
|41| »Wenn sich herumspricht, dass du die Nacht bei dem neuen Ritter des römischen Reiches verbracht hast …«
»Er ist verrückt nach mir, und er ist ein schöner Mann. Warum also sollte ich ihn zurückweisen? Weil mein Bruder es will?
Sicherlich nicht! Und wenn Arminius zurückkommt, werde ich so viele Nächte mit ihm verbringen, wie es mir gefällt.« Sie bemühte
sich um ihr herrisches Lachen, das ihr jedoch nicht recht gelingen wollte, und hoffte nur, dass es nicht verzagt auf Agrippina
wirkte. »Du hättest sehen sollen, wie verzweifelt er war, als er schon in den frühen Morgenstunden nach Pannonien gerufen
wurde. Wie gern wäre er bei mir geblieben!«
Um ihrer Schwägerin zu zeigen, dass ihr dieses Gespräch viel zu lästig war, um sich davon in ihrer Morgentoilette behindern
zu lassen, rief sie Gaviana wieder zu sich. »Die feuchten Tücher! Sehr warm, aber nicht zu heiß!«
Ihre Sklavin stand schon wenige Augenblicke später neben ihr, legte warme, feuchte Tücher auf ihr Gesicht und rieb es anschließend
mit einem duftenden Öl ein.
Agrippina sah schweigend zu. Als Gaviana fertig war, lächelte sie. »Arminius ist eigentlich ein Barbar.«
»Er ist ein römischer Offizier«, widersprach Severina schnell. »Der Kaiser ist ihm sehr dankbar. Er hat große Taten vollbracht.«
»Deswegen bleibt er trotzdem ein Barbar«, gab Agrippina zurück. »Er ist im finsteren Germanien geboren worden, aber er hat
jede Gelegenheit genutzt, dort einen Besuch zu machen. In dieser morastigen, unwirtlichen Gegend!« Aprippina schüttelte sich.
»Er sollte doch froh sein, der Kälte und der Dunkelheit entronnen zu sein.«
»Germanien ist seine Heimat, dort leben seine Angehörigen.« Severina warf selbstbewusst den Kopf in den Nacken. »Ich finde,
es spricht für ihn, dass er an seiner Familie hängt.« Sie stellte die Füße auf die Erde und strich ihre Tunika glatt. Angriffslustig
sah sie aus, und sie bemerkte, dass es ihrer Schwägerin nicht entging. »Dir gefällt er auch«, sagte Severina leise. »Ich habe
beobachtet, wie du ihn gestern angesehen hast.«
|42| Agrippina lief rot an. Severina betrachtete sie lächelnd von Kopf bis Fuß, weil sie wusste, wie sehr Agrippina das verunsicherte.
Vor allem, wenn der Blick an ihrer Brust hängen blieb, die sogar während ihrer Schwangerschaft viel zu klein war, um dem gängigen
Schönheitsideal zu entsprechen. Nie verzichtete Agrippina auf ihr Busenband, während Severina stolz darauf war, ohne auszukommen.
Das Busenband war eine um die Brust geschlungene Binde, die die Aufgabe hatte, den Busen aufrecht zu halten. Frauen mit schweren
Brüsten und die, deren Brüste bereits erschlafft waren, mussten es tragen, und Agrippina legte es so an, dass ihre Brüste
zusammengepresst wurden, damit sie üppiger erschienen, als sie waren.
»Ich habe lediglich Arminius’ blonde Haare bewundert«, stieß sie aufgeregt hervor. »Oder willst du mir etwa unterstellen …«
»Arminius’ Bruder hat noch blondere Haare«, unterbrach Severina. »Aber Flavus hast du keines Blickes gewürdigt.«
Agrippina sah von einem Augenblick zum anderen aus wie ein
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