Die Frau des Germanen
Krieger, der seine Waffen streckt und um Gnade bittet. »Arminius
ist ein Held«, sagte sie leise, als schämte sie sich für ihre Worte. »Ein Barbar, aber auch ein Held. Flavus dagegen ist noch
nie aus dem Schatten seines Bruders herausgetreten. Aber auch aus ihm«, setzte sie eilig hinzu, »ist ein eleganter Römer geworden.
Erstaunlich für zwei Barbaren, die in primitive Lebensumstände hineingeboren wurden.«
Severina nickte. »Kein Wunder, dass Germanien sich freiwillig und gern dem römischen Reich unterworfen hat. Die Barbaren wussten,
dass sie der römischen Lebensart, den Künsten und der intellektuellen Kraft der Römer nichts entgegenzusetzen haben.«
Agrippina erhob sich und strich ihre Tunika glatt. »Wenn Arminius hört, dass du von Unterwerfung sprichst, wird er nicht erfreut
sein. Und Germanicus und Tiberius auch nicht. Sie nennen die Germanen Freunde und Bundesgenossen der Römer.«
»Ja, ja.« Severina erhob sich ebenfalls, denn das Gespräch begann |43| sie zu langweilen. Sie wollte, dass ihre Schwägerin endlich wieder ging. »Und Varus ist nun dabei, Germanien zu einer römischen
Provinz zu machen. Sehr schön.«
Agrippina klatschte in die Hände, um ihre beiden Sklavinnen herbeizurufen, ohne die sie kaum einen Schritt machte. »Ob Varus
der Richtige für diese Aufgabe ist?«
»Warum nicht?«, fragte Severina gleichgültig zurück.
»Denk nur an seine Zeit in Syrien. Es heißt, arm kam Varus ins reiche Syrien, und reich verließ Varus das arme Syrien.«
Severina trat an ihren Schminktisch und spielte mit den Ölfläschchen, die dort standen. Wann merkte Agrippina endlich, dass
sie keine Lust auf diese Konversation hatte? »Wenn Germanien römische Provinz sein will«, sagte sie, »kann es nicht falsch
sein, wenn eine römische Verwaltung dort römische Gesetze erlässt. Und natürlich ist es auch richtig, wenn Germanien es sich
etwas kosten lässt, dass es nun zum glorreichen römischen Reich gehört.«
Gaviana erschien mit einem vorsichtigen Lächeln im Raum. Sie war nicht umsonst Severinas Hauptsklavin, sie konnte am besten
beurteilen, in welcher Laune sich ihre Herrin befand, wie sie auf das Geschenk, das sie in Händen hielt, reagieren, ob es
sie aufheitern oder verärgern würde, ob sie die Störung begrüßen oder ob sie wütend sein würde, weil das Gespräch mit ihrer
Schwägerin unterbrochen wurde. Gaviana glaubte, dass ihre Herrin froh sein würde, wenn die Gattin des Germanicus sie endlich
verließ, denn sie meinte, Unmutsfalten auf Severinas Stirn gesehen zu haben, aber sicher war sie keineswegs. Die Angst stand
ihr ins Gesicht geschrieben, als sie mit zitternder Stimme sagte: »Dieses Geschenk wurde soeben für Euch abgegeben, Herrin.«
Sie streckte Severina eine Holzschatulle hin. »Der Sklave, der sie abgegeben hat, sagte, das Geschenk komme von dem blonden
Germanen.«
Severina durchfuhr ein freudiger Schreck, aber sie gab sich große Mühe, sich nichts anmerken zu lassen. Eine Frau wie sie
freute sich nicht über ein Geschenk, sie beanspruchte es ganz selbstverständlich. Mit einem hochmütigen Lächeln nahm sie |44| die Schatulle entgegen. »Anscheinend hatte er noch Zeit, für ein Geschenk zu sorgen, ehe er nach Pannonien aufbrach«, erklärte
sie lächelnd. »Wie nett.«
Gaviana war erleichtert. »Sein Sklave hat ausrichten lassen, dass er das Geschenk gern selbst überreicht hätte.«
Severina gefiel es, dass Agrippinas Blick neugierig wurde. Mit einem überlegenen Lächeln stellte sie die Schatulle zur Seite.
»Worüber sprachen wir noch? Ach ja, Varus … Ich bin sicher, dass er genau richtig ist für seinen Auftrag in Germanien. Ich
kenne ihn gut. Er ist ein ruhiger, freundlicher Mann, stammt aus einer angesehenen Familie. Etwas behäbig vielleicht und ein
wenig bequem, aber in Germanien Steuern einzutreiben wird ihn ja körperlich nicht besonders fordern.«
Agrippina nickte, dann begriff sie, dass sie nicht länger bleiben konnte, wenn sie nicht für neugierig gehalten werden wollte.
Sie gab ihren beiden Sklavinnen einen Wink, die sofort nach dem Saum ihrer Tunika griffen und dafür sorgten, dass die Perlen,
mit denen Agrippinas Schuhspitzen bestickt waren, sich nicht in der zarten Seide verfingen.
Agrippina wünschte der Schwester ihres Gatten einen angenehmen Tag und versprach, kein Wort darüber zu verlieren, dass Severina
die Nacht im kaiserlichen Palast verbracht hatte.
Severina glaubte ihr, deswegen
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