Die Frau des Germanen
strahlend, als hätte er diesen Triumphzug wirklich verdient. Möglich aber auch, dass es ihm nur darauf ankam, die Häme
seiner Gegner im Keim zu ersticken. Jedenfalls gebärdete er sich wie ein wahrer Triumphator und nahm jedes Beutestück in seinen
Triumphzug auf, das sich ihm bot, damit er lang und eindrucksvoll wurde.
Severina hatte sich für diesen Anlass eine dunkelrote Tunika aus Seide anfertigen lassen. Sie war mit breiten Goldborten besetzt,
die Busenbänder, die die Tunika unter der Brust rafften und für einen schönen Faltenwurf sorgten, waren mit Perlen bestickt.
Ihr schwarzes Haar war hoch aufgetürmt, darunter steckten dunkle Haarteile, welche die eigene Pracht unterstützen. Goldene
Reifen klimperten an ihren Handgelenken, an ihren Ohren hingen große goldene Ringe.
Als sie mit ihren Sklavinnen die Räume ihres Bruders betrat, |370| rechnete sie fest damit, dass frohe Stimmung und ausgelassene Vorfreude sie erwarteten. Doch das Gegenteil war der Fall. Agrippinas
schrille Stimme war schon zu hören, bevor Severina sich von dem Türsteher die Tür öffnen ließ. Was war nur mit ihrer Schwägerin
los? Seit sie von der Versetzung ihres Gemahls nach Syrien erfahren hatte, war es mit ihrer Sanftmut vorbei.
»Wie kannst du so etwas tun!«, fauchte sie Germanicus an. »Diese arme Frau! Und das unschuldige kleine Kind!«
»Sie sind Beutestücke!«, schrie Germanicus zurück.
»Hast du sie erbeutet?«, ereiferte sich Agrippina. »Sind sie dir nicht eher von einem verantwortungslosen Vater ausgeliefert
worden?«
»Ich habe ihn nicht gezwungen! Er hat sich damit seine Sicherheit erkauft!«
»Eine großartige Feldherrenleistung«, höhnte Agrippina. »Besser, du würdest Fürst Segestes in deinem Triumphzug mitführen!«
»Agrippina!«, fuhr Severina dazwischen, damit ihre Schwägerin endlich merkte, dass sie den Raum betreten hatte. »Was ist los
mit dir?«
Agrippina fuhr zu ihr herum, ihre Augen blitzten. Trotz der Kreide auf ihrer Haut waren ihre Wangen voll roter Flecke.
»Du musst dich noch einmal schminken lassen«, sagte Severina so ruhig wie möglich.
»Wozu?«, kam es kampflustig zurück. »Ich werde an diesem Triumphzug nicht teilnehmen. Nicht, wenn mein Gemahl über eine hilflose
Frau und ihr unschuldiges Kleinkind triumphiert. Ich würde mich ja zu Tode schämen.« Sie wollte an Severina vorbeigehen, um
das Zimmer zu verlassen. »Oder findest du das etwa in Ordnung?«
Severina hob die Schultern. Selbstverständlich fand sie das in Ordnung. Was war schon dagegen einzuwenden, wenn das Eheweib
eines Verräters, der Rom größten Schaden zugefügt hatte, als Beutestück hergezeigt wurde? Gar nichts! Dass es auch ihr ganz
persönlicher Triumph war, musste ja niemand wissen.
|371| Allerdings schluckte sie ihre Meinung angesichts von Agrippinas Empörung herunter. »Du musst am Triumphzug teilnehmen«, sagte
sie stattdessen. »Du sollst mit deinen Kindern in einem Wagen fahren. Germanicus will stolz auf seine große Familie sein.«
»Es gibt genug Sklavinnen, die auf die Kinder aufpassen können«, antwortete Agrippina und verließ ohne ein weiteres Wort den
Raum.
Severina sah ihren Bruder hilflos an. »Was nun?«
Germanicus wollte sich anscheinend nicht ärgern. »Du hast ja gehört … es gibt genug Sklavinnen.« Er warf Severina einen schnellen
Blick zu. »Und du? Hast du einen guten Grund gefunden, Silvanus zu Hause zu lassen? Wie wär’s mit einer Kinderkrankheit?«
Severina betrachtete ihren Bruder verdutzt. »Warum soll Silvanus nicht mitfahren? Er freut sich schon darauf.«
Germanicus machte einen Schritt auf sie zu. »Hast du dir das Kind des Verräters noch nicht angesehen?«
Severina starrte ihn schweigend an, dann schüttelte sie langsam den Kopf.
»Das dachte ich mir. Sonst wüsstest du, dass Silvanus große Ähnlichkeit mit diesem Kind hat. Was ist, wenn auch andere es
bemerken?«
»Was ist, wenn du auf deine Gemahlin hörst und darauf verzichtest, Arminius’ Weib als Beutestück vorzuführen?« Severinas Stimme
zitterte, und als ihr Bruder nur verächtlich lächelte, ergänzte sie: »Oder wenigstens ihren Sohn.«
»Du solltest dir endlich etwas einfallen lassen«, sagte Germanicus nur und wandte sich ab, um sich von seinen Sklaven den
Lorbeerkranz aufs Haupt setzen zu lassen.
Severina betrachtete ihn eine Weile schweigend, dann drehte sie sich um und verließ den Raum. Vor der Tür sagte sie zu Gaviana:
»Silvanus bleibt zu
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