Die Frau des Germanen
unangenehm wurde. »Mütter sind
etwas Wunderbares«, sagte er dann. »Es ist wirklich erstaunlich, was sie für ihre Kinder auf sich nehmen. Sogar eine selbstsüchtige,
verwöhnte und anspruchsvolle Frau wie du, die sich für keinen anderen Menschen auf ein Abenteuer einlassen würde! Nicht einmal
für sich selbst.«
»Wollt Ihr mir Angst machen?«
Tiberius winkte ab. »Natürlich nicht. Ich bin sicher, du weißt, worauf du dich einlässt. Zum Glück wird Flavus ja an deiner
Seite sein. Er wird wissen, was zu tun ist.«
»Hat er schon erfahren, dass du ihn nach Syrien schickst, um dort die Ankunft meines Bruders vorzubereiten?«
Der Kaiser nickte. »Aber dass Syrien für ihn in Germanien liegt, wird er erst heute erfahren. Ebenfalls, dass er für eine
Weile nicht mehr römischer Offizier, sondern Seidenhändler sein wird.«
Er begann zu lachen, immer lauter, immer ungestümer, und schlug sich schließlich sogar auf die Schenkel vor Lachen. Severina
stimmte unverzüglich ein, weil jeder einzustimmen hatte, wenn der Kaiser zu lachen begann. Kurz darauf schwankte die ganze
Tribüne unter dem Gelächter der Ehrengäste, von denen keiner eine Ahnung hatte, warum er lachte. Fürst Segestes war der Einzige,
der ernst blieb.
|377| 23.
D ie Nacht war hereingebrochen. Eine Nacht, die anders roch, andere Farben und andere Geräusche hatte, weil ein Tag vorangegangen
war, der ebenfalls ein ganz anderer gewesen war – mit anderen Gerüchen, anderen Farben und anderen Geräuschen. Der Tag des
Triumphzuges war erfüllt gewesen von den Düften der Speisen, die überall von den Straßenhändlern angeboten worden waren. Geröstete
Maronen, warmer Honigkuchen, gekochtes Hühnerfleisch oder Erbsensuppe, die mit Fischsoße gewürzt wurde und ihren Duft in allen
Straßen verbreitete. Die Menschen hatten in den Gassen gefeiert, reiche wie arme, und der verdünnte Wein, den Germanicus an
die Armen ausschenken ließ, sorgte dafür, dass noch in der Nacht auf allen Straßen gelärmt wurde.
In Severinas Haus jedoch war davon nichts zu hören. Trotzdem war auch hier in jeder Ecke zu spüren, dass der Tag anders gewesen
war. Das Fest, das Germanicus gefeiert hatte, war nicht unbeschwert gewesen. Für ihn und seine Familie nicht, aber auch nicht
für die Sklaven, die ihm dienten. Sie wussten mittlerweile, dass ihr Leben sich ändern würde. Entweder durften sie Germanicus
nach Syrien folgen, oder aber sie würden in Kürze auf dem Sklavenmarkt stehen und einem neuen Schicksal entgegensehen. Da
alle wussten, dass Agrippina eine gnädige Herrin war, sah einer wie der andere besorgt in die Zukunft.
Der große Raum neben der Küche, in dem die Sklaven schliefen, war leer, als Thusnelda hineinhumpelte. Severina hatte darauf
bestanden, dass sie als interessantestes Beutestück des Triumphzuges Germanicus‘ Gäste bediente. Sie alle hatten bedauert,
dass Agrippina einen attraktiven Teil des Unterhaltungsprogramms verhindert hatte, indem sie darauf bestand, dass Segestes
nicht in ihr Haus eingeladen wurde. So mussten sie sich damit begnügen zu beobachten, wie Flavus von seiner versklavten Schwägerin
bedient wurde. Immerhin auch ein pikantes Vergnügen!
|378| Dann aber hatte Agrippina dafür gesorgt, dass Thusnelda sich schlafen legen durfte, obwohl sie sich damit Severinas Zorn zugezogen
hatte. Doch seit Agrippina wusste, dass sie ihrem Gemahl nach Syrien folgen musste, hatte sie einen Teil ihrer Konzilianz
abgelegt. Aus ihrer Bitterkeit war eine Härte entstanden, die sich nicht – wie bei vielen Römern – gegen ihre Sklaven richtete,
sondern gegen ihresgleichen.
Stöhnend ließ Thusnelda sich auf den harten Boden sinken, der zum Glück die Hitze des Tages gespeichert hatte und noch immer
angenehm warm war. Sie griff nach ihren Fußgelenken, zuckte aber gleich wieder zurück. Sie waren stark geschwollen und brannten
wie Feuer. Nachdem sie ihren Vater auf der Ehrentribüne gesehen hatte, war sie nur noch vorwärtsgestolpert, ohne daran zu
denken, dass sie sich schonen musste, um den weiten Weg des Triumphzuges durchzuhalten. Ausnahmsweise war sie nun froh, dass
die Säuglinge in dieser Nacht nicht bei ihren Müttern schlafen durften. Es wäre ihr schwergefallen, Thumelicus zu trösten,
wenn er aufgewacht wäre, zu sehr bedurfte sie selbst des Trostes. Wie groß ihr Ungehorsam auch gewesen war – hatte sie eine
so schwere Strafe verdient?
Plötzlich hörte sie ein Rascheln,
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