Die Frau des Germanen
ist!«
»Und wenn du dich irrst?«, fragte Arminius. »Wenn dies meine Chance ist, Thusnelda zurückzubekommen?«
»Es ist zu gefährlich«, beschwor Hermut ihn, aber Inaja brachte ihn mit einer energischen Handbewegung zum Schweigen. Sie
wandte sich an Arminius: »Wie soll die Sache vonstatten gehen?«
Arminius las den Papyrus noch einmal, ehe er antwortete: »Sie will mir Thusnelda und meinen Sohn zuführen. Die Übergabe muss
allerdings in aller Heimlichkeit stattfinden. Ich muss ganz allein zu dem Treffpunkt kommen …«
»Also doch eine Falle«, warf Hermut ein.
»… und ich muss absolutes Stillschweigen bewahren.« Arminius sah erst Hermut, dann Inaja eindringlich an.
Die Handbewegung, mit der Hermut reagierte, war ihm Antwort genug. Natürlich konnte er sich auf seinen besten Freund verlassen,
das wusste er genau. Er verließ sich auch dann auf ihn, wenn er anderer Meinung war.
»Ich soll dem Kurier eine Nachricht mitgeben, wenn er morgen wieder aufbricht.«
Hermut beschwor seinen Freund, nicht auf das Angebot einzugehen, aber Arminius war unbelehrbar. Er sah nur die Chance, Thusnelda
und seinen Sohn zurückzubekommen, die Gefahr interessierte ihn nicht. »Ich werde es hinnehmen, wenn ich dabei |368| den Tod finde. Aber niemals könnte ich es hinnehmen, aus Angst oder Vorsicht Thusnelda nicht wiederzusehen.«
Inaja saß schweigend neben den beiden. Von den Gedanken, die durch ihren Kopf gingen, ahnte keiner der Männer etwas. Hermut
hätte vielleicht die aufrechte Haltung seiner Frau stutzig gemacht, wenn er Inaja beachtet hätte, das Lächeln, das in ihren
Augen stand, ihr aufmerksamer Blick, der sich nach innen richtete und doch so viel verriet. Aber er hatte vollauf damit zu
tun, Arminius die Idee auszureden, dieser Römerin zu glauben, die nicht einmal bereit war, ihren Namen zu nennen. Doch Arminius
fand viele Gründe, ihr Verhalten zu erklären, und weitere, warum er ihr unbedingt glauben wollte. »Sie findet es erbärmlich,
dass Thusnelda von ihrem Vater verraten wurde. Lasst uns froh sein, dass es Menschen gibt, die sich dafür einsetzen, ein Unrecht
wiedergutzumachen.«
Am Ende konnte Hermut seinem Freund nur diese eine Zusage abringen: »Also gut, du darfst mich begleiten.«
Hermut war halbwegs beruhigt. »Wenn du in einen Hinterhalt gelockt werden sollst, werde ich es herausfinden.«
Arminius las den Brief immer wieder. »Sie hat die Lichtung genau beschrieben, als würde sie sich hier auskennen.«
Hermut wurde erneut sehr nachdenklich. »Vielleicht ist sie gar keine Römerin, sondern eine Germanin? Wer weiß, welchen Grund
sie hat, ihre Identität zu schützen.«
Arminius war anzusehen, wie unwichtig ihm diese Frage war. »Sie wird mir von der letzten Station ihrer Reise eine weitere
Nachricht schicken und mir den genauen Zeitpunkt des Treffens mitteilen. Ich soll mir keine Sorgen machen. Wenn ich sie sähe,
wüsste ich schon, warum die Geheimhaltung so wichtig ist.« Er ließ den Brief sinken und sah nachdenklich vor sich hin. »Anscheinend
kenne ich sie.«
Plötzlich konnte Inaja Arminius’ hoffnungsvolles Gesicht nicht mehr ertragen. Ohne ein Wort stand sie auf und verließ das
Haus. Die Sorge, dass Hermut ihr folgen könnte, hatte sie nicht. Grotesk war es, dass er nun seinen Argwohn verloren hatte!
Gerade |369| jetzt, da in ihrem Kopf nur ein Name pochte: Flavus! Vor ihr öffnete sich eine breite, helle Straße, die direkt nach Rom führte!
Dass Flavus etwas mit diesem Brief zu tun hatte, war Inaja vollkommen klar. Und sie würde auch noch dahinterkommen, was es
war. Flavus erwartete das von ihr.
Rom stand kopf. Tausende säumten schon die Straßen, noch bevor Germanicus die höchste Ehrung zuteil wurde, die der Senat und
der Kaiser zu vergeben hatten: der Triumphzug des siegreichen Feldherrn. Das Volk ahnte nicht, dass Germanicus’ Siege über
Germanien in Wirklichkeit nur das Vermeiden germanischer Siege über Rom gewesen waren und dass Kaiser Tiberius diesen Triumphzug
angeordnet hatte, um Germanicus darüber hinwegzutrösten, dass es mit den Rachefeldzügen gegen Germanien ein Ende hatte und
seine Zeit als Feldherr abgelaufen war. Mit diesem Triumphzug sollten seine militärischen Leistungen beschönigt und er selbst
besänftigt werden, damit er sich, ohne zu murren, nach Syrien schicken ließ.
Severina fragte sich, ob Germanicus den Schachzug des Kaisers wirklich nicht durchschaute, denn ihr Bruder gab sich stolz
und
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