Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Frau des Germanen

Die Frau des Germanen

Titel: Die Frau des Germanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
Vom Netzwerk:
Gefangenen und nicht einmal die Peitsche des Sklaventreibers,
     der darauf zu achten hatte, dass sich der Zug ohne Zögern fortbewegte, konnten sie zwingen weiterzugehen. Was sie sah, lähmte
     sie, machte es ihr unmöglich, weiterhin einen Fuß vor den anderen zu setzen, weiterhin darauf zu achten, dass ihre Schritte
     klein genug waren, damit die Ketten nicht an ihren Fußgelenken zerrten und sie wund scheuerten, weiterhin ihr Kind zu halten,
     damit es nichts merkte von der Schmach. Sie konnte nur dastehen und den Mann anstarren, der in der zweiten Reihe inmitten
     der Ehrengäste auf der Tribüne saß. Es war Fürst Segestes, der mit unbewegter Miene zusah, wie seine Tochter und sein Enkel
     in Ketten an ihm vorbeigeführt wurden.
     
    Der Kaiser neigte sich an Severinas Ohr, seine Stimme jedoch war so laut und deutlich, dass jeder der Umsitzenden hören konnte,
     was er sagte. »Ich habe gehört, du willst schon in den nächsten Tagen nach Baiae abreisen?«
    »Ganz recht, Onkel«, gab Severina zurück. »Ich werde eine Weile wegbleiben. Die wunderschöne Lage des Badeortes in dieser
     herrlichen Bucht und die Thermal-Quellen, die der Gesundheit so gut tun … das alles will ich ausgiebig genießen.«
    »Wenn du erfolgreich zurückkehrst, könntest du dir überlegen, dir dort eine Villa zu bauen. Neben meiner Sommerresidenz gibt
     es ein geeignetes Grundstück.«
    Severina stieg heiße Freude in die Wangen. Das war ein deutlicher Hinweis, wie sehr auch dem Kaiser daran gelegen war, dass
     sie Rache übte.
    Nun wurde Tiberius’ Stimme leiser, er sprach direkt an Severinas Ohr. »Es ist sehr vernünftig, dass du dir Flavus als Reisebegleiter
     ausgesucht hast. Germanien ist ein unwegsames Land. Ohne jemanden an deiner Seite, der sich dort auskennt, hätte ich dich
     nicht reisen lassen.«
    |375| Auch Severina senkte die Stimme, obwohl sich in diesem Augenblick jeder in ihrer Umgebung auf den Triumphzug konzentrierte
     und niemand ihr Gespräch mit dem Kaiser beachtete. »Es wird eine mühsame Reise werden. Zumindest jenseits der Grenze! Wie
     ich hörte, gibt es in Germanien keine befestigten Straßen.«
    Der Kaiser nickte. »Den Germanen fehlt ein mächtiger Herrscher.« Er wies mit einer kleinen Geste auf Thusnelda, die soeben
     vor der Ehrentribüne erschien. »Arminius hat immer auf ein großes vereintes Germanien gedrängt. Und er hatte aus seiner Sicht
     recht. Nur ein festgefügter, von oben nach unten organisierter Staat mit einem starken Herrscher kann solche großen Leistungen
     vollbringen wie die Befestigung von Straßen, die durchs ganze Land führen. Wie gut, dass Rom ein solcher Staat ist.« Er lächelte
     zufrieden. »Sieh dir das an, Severina! Das wird dir gefallen!« Er zeigte noch einmal auf Thusnelda und machte seine Nichte
     dann auf Fürst Segestes aufmerksam, der mit versteinertem Gesicht unter den Ehrengästen saß. »Der Fürst hat sich lange gesträubt.
     Es sah sogar so aus, als wollte er sich mit Krankheit aus der Affäre ziehen. Aber schließlich hat er es doch nicht gewagt
     und ist hier erschienen. Ich finde, das hat er verdient! Meinst du nicht auch?«
    »Unbedingt!« Severinas Lächeln war genauso breit wie das des Kaisers, das boshafte Glitzern in ihren Augen machte sie ihrem
     Onkel sehr ähnlich.
    Kaiser Tiberius wurde jedoch schnell wieder ernst. »Es ist schwer, in Germanien zügig voranzukommen«, führte er das Gespräch
     sachlich fort. »Die Täler sind im Frühjahr und im Herbst häufig überschwemmt, die Flüsse sind reißend oder für Schiffe nicht
     tief genug. Am sichersten sind die Wege, die über Gebirgskämme führen.« Er betrachtete seine Nichte kritisch, als hätte er
     plötzlich Zweifel, dass sie einer so beschwerlichen Reise gewachsen war. »Am besten hältst du dich an die Wege, die die römischen
     Händler nehmen, die in Germanien Geschäfte machen. Schließlich wirst du selbst zu ihnen gehören.« Er stieß ein |376| kurzes Lachen aus. »Meine Nichte, eine Händlerin! Verkauf die Seide nicht zu billig, die ich dir mitgeben werde, sonst wird
     man dir schnell auf die Schliche kommen.«
    Severina runzelte ärgerlich die Stirn. »Ihr erwartet nicht von mir, dass ich höchstpersönlich die Waren anpreise, die Ihr
     mir besorgt habt?«
    Der Kaiser wurde wieder ernst. »Ich erwarte, dass du dich so verhältst, dass niemand erkennt, wer du wirklich bist, damit
     du sicher und erfolgreich nach Rom zurückkehrst.« Er betrachtete Severina so lange, bis es ihr

Weitere Kostenlose Bücher