Die Frau des Germanen
Hause. Tu was, damit er sich trösten lässt. Ich will kein Gejammer hören, wenn ich zurückkomme.«
|372| Der Triumphzug begann auf dem Marsfeld, führte dann durch das Zentrum Roms, passierte das Forum der Via Sacra, berührte den
Circus Maximus und endete schließlich auf dem Kapitol.
Er gliederte sich in drei Teile. Trompeter führten den Zug an, danach folgten die Beutestücke und Gefangenen, die den Zuschauern
vorgeführt werden sollten. Auf großen Tafeln, die getragen oder, wenn sie sehr schwer waren, auf Wagen gefahren wurden, hatte
man Germanicus’ militärische Leistungen festgehalten. Im Mittelteil des Zuges fuhr der Wagen des Triumphators. Amtsdiener,
Magistrate, Senatoren und seine männlichen Verwandten schritten ihm voran, er selbst stand auf einem prächtig geschmückten
Wagen, der von vier Schimmeln gezogen wurde. Germanicus trug ein mit Goldstickerei durchwirktes Purpurgewand und den Lorbeerkranz
auf dem Haupt, über den ein Sklave eine schwere Goldkrone hielt. In der rechten Hand schwenkte er einen Lorbeerzweig, in der
linken hielt er ein Elfenbein-Zepter. Den Schlussteil des Triumphzuges bildeten die in militärischer Ordnung marschierenden
Offiziere und Soldaten mit ihren Waffen und Ehrenabzeichen. Höhepunkt sollte das Opfer sein, das Germanicus auf dem Kapitol
darbringen würde. Ein festlich geschmückter Stier war es, der im Triumphzug mitging, der vor dem Jupiter-Tempel geopfert werden
sollte.
Thusnelda schnitt es ins Herz, wenn der kleine Thumelicus lachte. Ihm gefiel die Musik, die vielen Gesichter, an denen sie
vorbeigingen, betrachtete er mit großer Neugier. Dass sie manchmal bespuckt wurden, bemerkte er nicht, ebenso wenig, dass
seine Mutter gezwungen war, sich in kleinen Schritten vorwärts zu bewegen, da ihre Füße durch schwere Ketten miteinander verbunden
waren. Thusnelda drückte ihren Sohn an sich und flüsterte ihm Koseworte zu. Wie gut, dass er noch so klein war! Er verstand
nichts von dem, was sich hier ereignete, und er würde sich später nicht an die Schmach erinnern, die seine Mutter erdulden
musste.
Mühsam schleppte sie sich voran. Ihre Füße schmerzten, die |373| Sonne brannte auf ihrer Haut, die schweren Ketten zerrten an ihren Gelenken, jeder Schritt war eine Qual. Doch sie zwang sich,
aufrecht zu gehen und ihre Pein nicht erkennen zu lassen. Eine stolze Germanin war sie, und dieser Triumphzug würde ihren
Stolz nicht brechen! Hocherhobenen Hauptes schritt sie voran und sah auch denen ins Gesicht, die sie auslachten, verhöhnten
oder beschimpften. Immer wieder löste sie eine Hand von Thumelicus und vergewisserte sich, dass sie ihre Liebesrune noch trug.
Das weiche Holz in ihrer Hand, die Zeichen, die ihre Fingerspitzen erspürten, die Gewissheit, dass es Arminius gewesen war,
der jede einzelne Rune ins Holz geschnitzt hatte, das alles gab ihr Kraft.
Als der Zug den Circus Maximus erreichte, war sie völlig erschöpft. Thumelicus war zum Glück eingeschlafen, so dass sie sich
ganz auf die Kraft ihrer Arme, die ihn hielten, und ihr Vorwärtskommen konzentrieren konnte. Mittlerweile schaute sie nur
noch auf ihre Füße, die Verächtlichkeit der Menschen, die sie mit jedem Schritt traf, zehrte an ihrer Stärke.
Dann aber hob sie kurz den Blick und sah die Tribünen, die auf dem Circus Maximus aufgebaut waren. Auf ihnen saßen die erhabenen
Persönlichkeiten Roms, alles, was Rang und Namen, Geld und Ansehen hatte. Sicherlich saß auch Severina dort und sah verächtlich
auf sie hinab. Plötzlich war es Thusnelda, als spürte sie wieder die Stockschläge auf ihrem Rücken. Nein, an dieser Frau,
die sie ihre Herrin nennen musste, würde sie nicht mit gesenktem Kopf vorbeigehen. Hier bot sich die Gelegenheit, Severinas
Hass mit Stolz zu begegnen.
Thusnelda mobilisierte ihre letzten Kräfte, richtete sich auf, drückte ihr Kind fest an ihre Brust und sah den vornehmsten
Zuschauern des Triumphzuges fest in die amüsierten Gesichter. Mochten sie reden über sie, wie sie wollten! Niemand sollte
später sagen, dass die Gemahlin von Fürst Arminius in römischer Gefangenschaft ihren Stolz verloren hatte.
Später dachte sie oft, es wäre besser gewesen, auch hier, vor der Tribüne der Ehrengäste, den Blick gesenkt zu halten. Dann |374| wäre ihr wenigstens dieser Anblick erspart geblieben. Zu allem, was sie zu erdulden hatte, nun auch noch das?
Sie blieb wie angewurzelt stehen. Auch die Schreie der folgenden
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