Die Frau des Germanen
barfuß ins Atrium, verzichtete niemals auf eine lederne Sohle und auf bestickte Seide an ihren zarten Füßen.
Jetzt blieb sie im Schatten einer Säule stehen und scheuchte Gaviana mit einer ungeduldigen Handbewegung zur Seite, die gerade
nach dem Saum ihrer Tunika greifen wollte, um sie vor dem Staub zu schützen, der auf den Wegen lag, die das Atrium kreuzten.
Zwar wurden sie ständig von den Sklaven mit Wasser besprengt, aber die Sonne saugte die Feuchtigkeit im Nu auf, aus dem frischen
Kies wurde schnell heller Staub, wenn hoher Besuch im Atrium die Anwesenheit arbeitender Sklaven verbat.
Kaiser Augustus saß mit Severinas Bruder auf einer Bank. Mindestens drei Kissen hatte er sich unterschieben lassen, damit
seine geringe Körpergröße ein wenig ausgeglichen wurde. Die Bank wurde von niedrigen Büschen eingerahmt, unter ihren Blättern
duckten sich zierliche Statuen. Neben der Bank war ein kleiner Teich angelegt worden, in dem sich träge Fische bewegten, die
schwerfällig nach den Insekten schnappten, die auf der Oberfläche tanzten. Hinter den Büschen, die die Sitzgruppe einrahmten,
plätscherte ein Springbrunnen. Bei leichtem Wind konnte es sein, dass von dort ein Schleier feuchter Luft die Bewohner und
ihre Gäste erfrischte oder aber verärgerte.
So unauffällig wie möglich bewegte sich Severina den überdachten Säulengang entlang. Das Peristyl war der einzige kühle Ort
außerhalb des Hauses. Im Atrium drang die Hitze auch in die Schatten der Bäume und Büsche. Augustus jedoch schien sie nichts
auszumachen. Severina betrachtete verwundert den müden, alten Kaiser, der unter einem riesigen Fächer saß, den ein etwa zwölfjähriger
Sklave über ihn hielt, um ihn vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen. Ein anderer etwa gleichaltriger |61| Junge stand neben ihm, mit Augustus’ Lieblingspapagei auf dem Unterarm, der mit einer Kette am Handgelenk des Jungen befestigt
war. Der Kaiser hatte gern mindestens einen seiner gefiederten Freunde bei sich. Ein kleines Mädchen fächelte ihm Luft zu,
was jedoch unmöglich für Kühlung sorgen konnte. Trotzdem sah der Kaiser nicht so aus, als litte er unter der Hitze. Im Gegenteil,
er zog die Schultern hoch, als fröre er sogar. Germanicus dagegen, der sich sicherlich gern ins kühle Haus zurückgezogen hätte,
tupfte sich immer wieder unauffällig den Schweiß von der Stirn.
Severina bewegte sich in kleinen unhörbaren Schritten in der Nähe der Hauswand das Peristyl entlang und nutzte die Gelegenheit
für ein paar schnelle Schritte, als dem Kaiser von zwei Sklavinnen Ziegenmilch serviert wurde, die er besonders schätzte.
Augustus wartete, bis die beiden Sklavinnen sich entfernt hatten, dann sprach er weiter, während er höchstpersönlich den Honig
in die Tasse träufelte.
Der Kaiser war bekannt dafür, dass er die Sonne und die Wärme liebte und gelegentlich gern auf Bedienung verzichtete. Das
machte seine Besuche nicht einfach. Wer Kaiser Augustus zu Gast hatte, musste schwitzen wie jetzt Germanicus und sich genau
überlegen, welche Bedienung er dem Kaiser zukommen ließ und welche Tätigkeit ihm selbst überlassen bleiben musste, damit er
gut gelaunt war. Anscheinend hatte Germanicus alles richtig gemacht, als er es dem Kaiser überließ, den Honig eigenhändig
in die Ziegenmilch zu rühren, und den Sklaven, der diese Tätigkeit eigentlich übernehmen sollte, wegschickte.
Severina war froh, dass Kaiser Augustus sich keine weibliche Gesellschaft gewünscht hatte, wie er es sonst gerne tat. Erst
vor kurzem war Agrippina im Frühstadium ihrer Schwangerschaft ohnmächtig zu Boden gesunken, als der Kaiser in der Mittagshitze
im Atrium mit ihr plaudern wollte.
»Ich habe Verständnis für Tiberius«, hörte Severina den Kaiser sagen. »Schließlich verdankt er Arminius sein Leben.«
|62| Als Severina diesen Namen hörte, machte sie einen weiteren Schritt voran und drückte sich neben den Schrein, auf dem jeden
Morgen ein Teil der Speisen geopfert wurde, die zum Frühstück serviert werden sollten. Hatte sie also richtig vermutet! Der
Kaiser war gekommen, um mit Germanicus über den neuen Ritter seines Reiches zu sprechen. Und sie wollte unbedingt hören, wann
Arminius aus Pannonien zurückerwartet wurde.
Ihre unvorsichtige Bewegung erzeugte ein Scharren auf dem Mosaik, ein Rascheln ihrer Gewänder. Zum Glück waren die Geräusche
dem Kaiser entgangen, aber Germanicus blickte ärgerlich auf. Da
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