Die Frau des Germanen
machen es die armen Bauern?«, fragte er.
Arminius lachte noch lauter. »Sie schenken ihrer Braut am Morgen nach der Hochzeit eine Süßigkeit oder etwas, was sie selbst
hergestellt haben. Einen Krug vielleicht oder ein Kleidungsstück.«
|167| »Nicht auf den Wert kommt es an«, ergänzte Thordis, »sondern auf die Geste. Jedenfalls bei einem armen Bauern …«
»Und wir machen es genauso«, bekräftigte Arminius und sah fragend in Thusneldas Augen. Sie lächelte erleichtert, als er fortfuhr:
»Wir brauchen keine Mitgift …«
»Keine Morgengabe«, warf Thusnelda ein.
»… keinen Reichtum, solange wir zusammen sind«, schloss Arminius.
Inaja traten vor Ergriffenheit die Tränen in die Augen. Und sie sah, dass es den Mägden, die noch wach waren, genauso ging.
Nur Arminius’ Mutter blieb ungerührt. Sie trug in sich, was sie von klein auf gelernt hatte, nie hatte sie daran gedacht,
sich gegen ihre Bestimmung aufzulehnen. Aber sie war auch eine Mutter, die ihre Söhne nicht hatte aufwachsen sehen dürfen,
die all die Liebe, die sie nicht hatte geben können, nun nicht erneut in sich einschließen wollte. Ihr Sohn würde jede Unterstützung
von ihr bekommen, dabei kam es nicht darauf an, ob sie guthieß, was er tat.
Inaja betrachtete sie voller Bewunderung. Eine solche Mutter hatte sie sich immer gewünscht! Eine starke Frau mit starken
Gefühlen! Inajas Mutter war ganz anders gewesen. Geschwächt von einem strengen Vater, von einem beherrschenden Mann und von
vielen Schwangerschaften hatte sie schon früh aufgegeben und war als junge Frau ohne Widerstand im Kindbett gestorben.
Plötzlich fühlte Inaja, wie Hermut nach ihrer Hand tastete. Als sie ihn ansah, weil er es verdiente, jetzt angesehen zu werden,
kam es ihr so vor, als wollte er Arminius’ Worte mit eigenen ergänzen, die den gleichen Sinn trugen. Was brauchen wir Überfluss,
wenn wir zusammen sind? Inaja war froh, dass Hermut kein Mann der Worte war und sie keine Angst haben musste, dass er sie
aussprach.
Gerade in diesem Augenblick eröffneten Thusnelda und Arminius, dass sie eine Doppelhochzeit feiern wollten. Arminius, den
mit seinem besten Freund Hermut so viel verband, |168| wollte auch den Schritt in die Ehe mit ihm gemeinsam machen, und Thusnelda bekräftigte, dass Inaja mittlerweile viel mehr
für sie sei als eine Dienstmagd. »Du hast mir geholfen, damit aus Arminius und mir ein Paar wird, und du bist mit mir aus
der Eresburg geflüchtet, hast meinetwegen dein Zuhause aufgegeben. Du bist jetzt nicht mehr nur meine Dienstmagd, sondern
mehr. Vor allem bist du die Frau von Arminius’ bestem Freund.«
Inaja schossen die Tränen in die Augen. Etwas Schöneres war ihr im ganzen Leben nicht gesagt worden, noch nie hatte sie so
viel Anerkennung, Wertschätzung und Zuneigung bekommen. Derart überwältigend war es, dass ihr Gewissen, das sich mahnend erhob,
sofort von ihrem Glück niedergeschrien wurde. Ja, sie hatte der Fürstentochter zu ihrem Glück verholfen, und zum Dank durfte
sie es nun mit ihr teilen. Das Leben war schön! Dass sie dennoch Thusneldas Dienstmagd bleiben würde, stand für Inaja außer
Frage. So vermessen war sie nicht, dass sie ihre Wünsche über ihren angeborenen Stand hinaustrieb.
Sie seufzte auf, lächelte und lehnte sich zurück. Ja, das Leben war schön!
Doch dieser Augenblick höchster Zufriedenheit hielt nicht lange an. Inaja schreckte auf und lauschte. Auch die anderen wischten
sich die Müdigkeit aus den Augen und saßen plötzlich kerzengerade da. Einer starrte den anderen mit großen Augen an.
Pferde näherten sich der Teutoburg, Rufe waren zu hören, die Wachen schrien von den Burgmauern. Ein Angriff?
Arminius sprang auf, Hermut stand im selben Augenblick neben ihm. Beide griffen nach ihren Schwertern und liefen aus dem Haus.
Thordis starrte Thusnelda an. »Dein Vater?«
Thusnelda antwortete nicht. Inaja sah, dass sie blass geworden war. Aus Angst? Oder war es Enttäuschung, die ihren Blick verdunkelte?
Fassungslosigkeit? Trieb Fürst Segestes es wirklich so weit, die Burg anzugreifen, in der seine Tochter lebte?
Nun sprang auch Inaja auf und lief zur Tür.
|169| »Bleib hier!«, rief Thusnelda ihr nach.
Aber Inaja hörte nicht auf sie. So schnell sie konnte, lief sie den Weg hinab, der zum Burgtor führte. Es war inzwischen geöffnet
worden, Arminius und Hermut standen in seinem Rahmen, die Schwerter erhoben. Und nun sah Inaja die Reiter herankommen. Im
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