Die Frau des Germanen
beherrschen. Schon in dem Augenblick,
in dem sie sie aussprach, ärgerte sie sich darüber, dass sie ihre Schwäche verriet. »Ist Euer Bruder mit Euch zurückgekommen?«
Flavus sah sie erstaunt an, aber Severina erkannte auch den winzigen Triumph in seiner Verwunderung. Was wurde hier gespielt?
»Wisst Ihr nicht, dass Arminius abkommandiert wurde?«, fragte Flavus, als wäre ihm vollkommen klar, dass Severina davon wusste.
»Er wird von nun an in Germanien Dienst tun.«
Severina mühte sich, Flavus weiter so arrogant wie bisher zu begegnen. »Natürlich wusste ich das. Ich frage ja auch nur …«
Nun war wieder alles in ihren Augen, in ihrer Stimme, in ihrer Körperhaltung, was Flavus bisher in Schranken gehalten hatte.
»Ach, was geht mich das an?«
Sie hätte Flavus am liebsten wie eine ihrer Sklavinnen behandelt, als sie sah, mit welch aufreizender Langsamkeit er sich
eine Olive in den Mund schob. Anscheinend wurde es Zeit, die Karten auf den Tisch zu legen. »Mir scheint, Ihr seid aus einem
bestimmten Grunde gekommen«, sagte sie nun und gab ihrer Stimme einen festen Klang.
Flavus lächelte Severina an. »Aus zwei Gründen bin ich gekommen«, sagte er mit sanfter Stimme. »Der erste: Mein Bruder schickt
mich, um Euch etwas zu sagen.«
Severina spürte, wie eine eiskalte Anspannung ihren Körper aufrichtete. Sie schob sich eigenhändig ein Kissen in den Rücken,
ohne dafür eine Sklavin zu rufen, und gab so der Anspannung |163| ihre Größe. »Und das wäre?« Ihre Stimme war genauso eiskalt wie das, was sie aufrecht hielt.
Flavus wartete, bis er die Olive heruntergeschluckt hatte, dann antwortete er: »Arminius hat Eure Nachricht erhalten. Er lässt
Euch ausrichten, dass er weder an Euch noch an Eurem Kind interessiert ist. Er wird in Germanien bleiben. Ihr werdet ihn nicht
wiedersehen.«
Nun veränderte sich sein Blick. Der winzige Triumph verschwand daraus, und als er sich auf seinen linken Ellbogen aufstützte,
wurde aus der Geste seiner rechten Hand wieder ein Schnörkel, mit dem er Severina beeindrucken wollte. »Der zweite Grund:
Ich bin nicht einverstanden mit dem Verhalten meines Bruders. Es ist verantwortungslos, die Mutter des eigenen Kindes zurückzuweisen.
Aber Ihr könnt auf mich zählen. Ich bin anders als mein Bruder. Ich werde Euch nie im Stich lassen. Auch das Kind nicht, wenn
es auf der Welt ist. Was mein Bruder nicht will, werde ich mit Freuden für Euch tun. Ihr könnt Euch ganz auf mich verlassen.«
10.
I naja war ganz sicher, dass das Leben es gut mit ihr meinte. Es hatte ihr die Kraft zum Handeln gegeben, sie hatte ihr Schicksal
selbst in die Hand genommen, hatte ihr Glück eigenhändig geformt und das Glück ihrer Herrin gleich mit. Welcher Dienstmagd
war das je gelungen?
Ihr Vater hatte ihr eingeschärft, das Leben zu nehmen, wie es kam, sich zu fügen und niemals aufzubegehren. »Sei froh, wenn
du einen Mann findest, der gut zu dir ist. Mehr hast du nicht zu erwarten.«
Nun, Inaja hatte einen Mann gefunden, der gut zu ihr war, der sie sogar liebte. Und sie wollte nicht unbescheiden sein, das
nahm sie sich fest vor. Natürlich wäre es wunderbar gewesen, |164| wenn Hermut wieder mit Arminius nach Rom gegangen wäre. Ein friedliches Leben mit Thusnelda im Schutz der Teutoburg! Gelegentliche
Besuche der beiden Männer, die sich überzeugen wollten, ob es ihren Kindern gutging! Dieses Ausmaß der Ehe hätte Inaja vollauf
genügt. Aber in diesem Fall wollte sie auf die Worte ihres Vaters hören und sich mit dem zufriedengeben, was sie bekam, und
nicht noch mehr verlangen. Wichtiger war Flavus’ regelmäßige Rückkehr, wenn Hermuts Anwesenheit auch alles komplizierter machte.
Aber sie würde schon dafür sorgen, dass ihr Ehemann ihr nicht im Wege stand.
Inaja verbot sich, mit ihren Wünschen zu wuchern. Sie hatte alles erreicht, was sie wollte. Die Schwangerschaft hatte sich
als großes Glück erwiesen, Hermuts Liebe zu ihr ebenfalls, und wie sich die Liebe zwischen Thusnelda und Arminius gefügt hatte,
grenzte an ein Wunder. Sich noch mehr zu wünschen wäre sträfliche Undankbarkeit gewesen.
Aber dennoch, obwohl sich Inaja Mühe gab, sich zu bescheiden, wurde ihr ein großes Glück zuteil, ohne dass sie sich darum
bemühte. Ein Glück, das sie sich niemals hätte träumen lassen …
Sie lebten seit ein paar Tagen auf der Teutoburg, und Arminius drängte darauf, mit Thusnelda Hochzeit zu feiern. Er wollte
nicht mehr, dass
Weitere Kostenlose Bücher